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Brief (Transkript)

Georg Fulde an seine Schwester am 29.9.1941 (3.2002.0202)

 

U.d.S.S.R. 29.9.41.



Liebe Schwester nebst Schwager!

Damit Ihr nicht ganz ohne Nachricht bleibt, will ich wieder mal ein Lebenszeichen geben. Wie Ihr vielleicht schon wißt bin ich als Flugzeugführer und Kommandant in einem Schlachtkampfgeschwader in Rußland. 8 Wochen bin ich jetzt hier, habe ca. 30 Feindflüge u. so manche Nacht über Rußland meine Bomben geworfen.
Demnächst werde ich das Eiserne Kreuz 1. und 2. Klasse u. die Frontflugspange für Kampfflieger bekommen. Ich habe mir diese Orden bitter bei manchen Feindflug erkämpfen müssen. Sie sind für mich eingereicht! Meine Zeit wär am 1.10. hier um geworden. Mein Staffelkapitän wollte mich aber unbedingt behalten u. nun bin ich ganz nach hier versetzt. Ich freue mich riesig darüber, denn mir macht das Spaß. Ich werde den Krieg bis Ende also beim Geschwader mitmachen u. nicht mehr nach Tutow [?] zurückkehren. So manche Nacht hing ich mit meiner guten Heinkel 111 im stärksten Scheinwerferlicht u. Flakfeuer. Aber meine Bomben haben ihr Ziel noch nie verfehlt. Mancher russische Bahnhof ist schon in die Luft geflogen. Aber auch manchmal wurde meine Maschine zerschossen. Ich kam immer nach Hause. Letztens morgens um 6 Uhr, nachdem ich eine große Kaserne vor Leningrad in die Luft gejagd hatte, griffen mich 3 feindl. Jäger an. Mir wars nicht gut zumute. Ein Jäger jagte mir von hinten einen Kanonenschuß durch mein linkes Kabinenfenster 10 cm an meinem Kopf vorbei. Er wurde anschließend von einem unserer Jäger abgeschossen: das war ein toller Luftkampf. Die Maschine wird einem ja oft mal zerschossen, aber man muß Glück haben u. das hatte ich jedesmal, daß ich selbst mit dem Kopf geschüttelt habe. Vor 14 Tagen erhielt ich über Leningrad Sonnabend nach 1 Uhr einen Volltreffer im rechten Motor. – Dieser fing an zu brennen. Ich brachte aber die Maschine noch heil nach Hause. So geht das öfters. Aber das ist so spannend, wenn einem die bunten Sachen so entgegenfliegen u. dann krepieren, daß man selbst vom Sitz fliegt. Diese Nacht jagde ich in Leningrad einen Gasomaten in die Luft, die Detonation war unbeschreiblich! Furchtbare Brände gab es. Gestern war ja auch Sonntag. Ich startete in der untergehenden Sonne um 18 Uhr. Das war dann mein Sonnenuntergangsflug. Ein Wochenende gibt es bei uns nicht. Oft weiß man überhaupt nicht wie man lebt. Heute Nacht geht es gleich 2 x nach Leningrad, dann wird die Stadt bald fertig sein. Wir greifen nur militärisch wichtige Ziele an. Nicht wie der Tommy, der seine Bomben in die Häuser wirft u. dann schleunigst wieder absaust. Ich selbst mache es sogar so, daß ich nach dem Bombenwurf noch eine Leuchtbombe werfe, um zu sehen ob meine Bomben richtig gesessen haben. Wenn Leningrad gefallen ist, geht es auf Moskau. Diese Stadt bombardierte ich im August schon mal. Dort ist schwer was los. Zirka 700 – 1000 Scheinwerfer u. sehr viel Flak. Aber die Russen kann man durch dauernde Täuschungsmanöver so bluffen, daß sie überhaupt immer daneben schießen. Es gehören natürlich einige Erfahrungen dazu. Ich habe eine tadellose Besatzung. Wir verstehen uns. Wenn wir unsere Bomben geworfen haben, wird auf dem Heimflug die erste Zigarette geraucht u. mittels des Peilgerätes Nachrichten u. Tanzmusik gehört. Das ist eine Erholung. Zu Hause angekommen gibt’s heiße Suppe, Bohnenkaffee, Eier usw. Uns fehlt es an nichts. Man brauch es aber. Denn als wir Moskau die ersten male angriffen flogen wir mit 40 Zentner Bomben von Königsberg dort hin. Abend 19 Uhr war Start u. morgen 5 Uhr sind wir wieder gelandet. Das waren immer 10 Stunden. Ihr könnt Euch vielleicht nicht vorstellen was ein 10 stündiger Feindflug bedeutet! Da war man restlos fertig! So ging das jede Nacht. Als dann in Rußland die Flugplätze besser wurden zogen wir um. Rußland ist eine elende Wüste. Das kann sich kein Mensch vorstellen. Und dazu dieses verkommene rohe Volk u. der Dreck. Ich möchte nicht wissen, was aus Euch u. aus Deutschland geworden wäre, wenn die Bolschewisten ins Reich gekommen wären, wie es geplant war. Aber es ist gottseidank umgekehrt gekommen. Wenn der Russe etwas menschlicher, nicht so grenzenlos verhetzt wär, wäre der Krieg schon aus. Das sind ja gar keine Menschen, sie sind völlig vertiert. Aber es kann sich jeder drauf verlassen, wir geben es ihnen, wo er auch ist. Diese Lumpen brennen ja alles ab, die Behausungen ihrer eigenen Mitmenschen. Man sieht es täglich. Ein grausig schönes Bild ist es, wenn man nachts die eigentliche Front überfliegt. Die Front brennt auf russischer Seite 100te von Kilometern, ganze Städte u. Dörfer. Der Himmel ist glutrot. Unter uns toben harte Kämpfe. Wir aber fliegen bis tief ins Feindesland hinein. Kommt man nun gegen Morgen vom Feindflug zurück u. fährt mit dem Wagen ins Quartier, muß man sich noch auf einen Erdkampf mit versprengten Russen gefasst machen. Jede Nacht gibt es noch im Hinterland Schießereien. Auf einsamen Landstraßen wurden Kraftfahrer niedergeknallt u. ermordet, Autos beschossen. Auf d. Abort kann man nur mir der Maschinenpistole gehen, dergleichen schlafen gehen. Als wir letztens gegen Morgen bei der Heimfahrt beschossen wurden, ließ ich anhalten u. dann haben wir 5 solche Strolche über den Haufen gerannt. Ich habe 3 davon mit der Maschinenpistole umgelegt, als sie uns bei der Gefangennahme Handgranaten vor die Füße werfen wollten. Aber das ist nichts neues mehr. Es ist eben Krieg. Und der wird hier bald aus sein. Dafür werden wir Flieger schon sorgen.
Nun will ich schließen. Gleich ist Einsatzbesprechung u. dann geht es auf Leningrad.
Herzl. Grüße Euer Georg

 

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