Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM
Bestandskatalog PDF

Brief (Transkript)

Lutz Raumer an seine Eltern am 24.11.1944 (3.2002.7404)

 

Erlenbach, den 24. 11.1944


34)

Liebe Eltern!

Wie Ihr oben seht, bin ich schon wieder in einem anderen Nest gelandet. Dieser Ort liegt 13 km südöstlich Landau/Pfalz. Ich weiss nicht, ob Ihr meinen letzten Brief aus Zabern erhalten habt, da wahrscheinlich keine Post mehr fort ging. Von Euch habe ich in den letzten 14 Tagen auch keinen Brief mehr erhalten, da wir von einem Ort zum anderen absetzen mussten. In der Zeitung und im Radio werdet Ihr ja über die hiesigen Kämpfe gehört haben. Wir zogen seit den ersten Angriffstagen mit unserem Troß immer vor dem Amerikaner her und konnten ihm oft genug gerade so entwischen; denn des öfteren waren zwischen uns und dem Gegner keine kämpfenden Soldaten mehr. In Mörchingen z.B., das auch im OKW-Bericht erwähnt wurde, standen die amerikanischen Panzer schon am Ortseingang und auch die Infanterie schoß schon mit M.G. und M.P. in den Ort hinein, als wir noch mit unseren Fahrzeugen im Dorf standen und noch nicht einmal eingespannt hatten. Da aber eine Panzersperre errichtet worden war, konnten sie nicht in das Dorf hinein. Nachdem wir alles schnellstens verpackt hatten, ging es wie die Feuerwehr aus dem Dorf hinaus. Wenn nicht ganz so schlimm, so doch in ähnlicher Weise war es an unserem anderen Aufenthaltsorten. Jetzt sind wir etwas in Sicherheit und denken, einmal ungestört schlafen zu können, da wir nach Norden abgezogen sind und so hier her kamen. Wir konnten uns so „planmäßig“ absetzen, da wir keine Kompanie mehr zu verpflegen haben, denn auch diese hat der Amerikaner geschnappt, wie es uns nun schon zweimal ging.
Ich schrieb Euch einmal aus Münsingen, daß ich hier einen Uffz. als Namensvetter habe. Mit diesem habe ich lange Zeit zusammen gearbeitet, da er Rechnungsführer war. Vorkurzer Zeit ist er schwer verwundet worden, als er als Quartiermacher in einen Artillerie-Feuerüberfall hineingeraten ist. Eine Granate riß ihm einen Arm und einen Teil vom Schulterblatt weg. Wir hoffen aber, daß er durch-gekommen ist, denn er wurde vom HVP. sofort zum nächsten Flugplatz weitergeleitet.
Das Wetter ist uns in einer Beziehung sehr günstig – es regnet Tag und Nacht – für uns, denn dann kommen die Jabo wenigstens nicht und können uns nicht stören. Auf der anderen Seite wiederum ist es weniger angenehm, mit nassen Kleidern herumzulaufen.
Gestern erlebten wie wieder eine Sache, die für unsere Abwehr hier bezeichnend ist. Wir fuhren mit unseren Fahrzeugen auf der Straße, als uns ein Hauptmann anhielt und uns aufforderte – bis auf die Fahrer der Fahrzeuge – mit anderen Soldaten, die dort standen, zusammenzustellen. Wie es sich bald heraus stellte, sollte dort in aller Eile eine Kampfgruppe aufgestellt werden, aber ohne uns, wir sind trotz Bewachung zu unserem Troß zurückgekehrt. Es wäre unverantwortlich, wenn der Spieß ohne Schreiber und Rechnungsführer – dieser war auch dabei – bei der vielen Arbeit gewesen wäre. Mit dieser Kampfgruppe wird es genau so gehen wie mit den vielen anderen, sie wird überrannt und die Angehörigen dieser Soldaten erhalten keine Nachricht mehr über ihre Lieben, denn sie wissen dort nur den Namen und die ehemalige Einheit, d.h. also dass die Angehörigen über den Verbleib dieser überhaupt nichts wissen, wenn sie nicht gerade in Kriegsgefangenschaft geraten sind. Wenn man dort auch die ehemalige Einheit weiß, so habe ich es noch nie erlebt, dass wir einmal über den Verbleib eines solchen Soldaten etwas erfahren haben.
Das wäre vorläufig alles. Ich grüße und küsse Euch herzlich

 

top