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Brief (Transkript)

Karl Nünnighoff an seine Eltern am 26.11.1941 (3.2008.1388)

 

Rußland, den 26.11.41


N r. 17

Liebe Eltern Willi und Lene!

Meine Augen tränten fast vor Freude, als ich heute meine Post erhielt. Alles in allem waren es drei Pakete. Nr. 3, 4 + 5, drei kleine Paketchen zu 100 g., einige Beutelchen bis Nr. 65 und eine Karte. Ich habe mir gesagt, soll man so etwas glauben. Ich sage Euch allen meinen aller herzlichsten Dank dafür. Liebe Mutter, soviel Mutterliebe habe ich noch nie so empfunden wie gerade jetzt wo ich, Dein Sohn, draußen im Felde stehe. Jetzt weiß ich bald nicht mehr, wie ich Dir danken soll, ebenfalls Vater und Willi, die beide kräftig dazu beitragen, daß ich ab und zu etwas leckeres aus der Heimat bekomme. Ich weiß oft nicht wie ich Euch das alle gut machen soll. Im Paket Nr 3 das schöne Paketchen Keks die Dose […] und Milch, die Hautkreme alles so schön verpackt, alles ist unversehrt angekommen. Im Paket Nr. 4 den leckeren Zwieback und im Paket Nr. 5 die Printen und Äpfel, alles war noch tadellos erhalten insbesondere die Äpfel haben fabelhaft geschmeckt. Auch die Togal Tabletten kann ich gebrauchen. Recht herzlichen Dank für die Dütchen [?] mit Hag Cola. Heißes Wassser kann ich bei unserer Küche immer bekommen, auch das Kuver mit Briefpapier und Umschläge ist angekommen und eine Zeitung. Ich bin im Augenblick wohl der jenige der die meiste Post erhält, das kann ich kaum alles beantworten, dann habe ich nebenbei noch ein schlechte Schreibgelegenheit, meist schreibe ich auf dem Schoß. Ich weiß kaum, mit welchen Worten ich meinen Dank aussprechen soll so glücklich bin ich. Ich muß zugeben, ich habe ein paar liebe Eltern, das werde ich Euch nie vergessen. Ihr könnt Euch denken, daß alles andere Augen und Mund aufsperrten als sie sahen, daß ich ein Paket nach dem anderen auf meinem Arm packte und dann verschwand. Nun bekam ich vorige Tage auch eine Karte von W. Kamphausen, auf der mir auch Feldpostpakete versprochen wurden, dann soll ich wohl bald keine Verpflegung mehr nötig haben, wenn das so weiter geht, Eine große Bitte habe ich allerdings jetzt an Euch, dazu muß ich Euch eben kurz eine traurige Begebenheit schildern. Gerne tue ich es ja nicht, zumal der Brief vielleicht gerade zur Weihnachtszeit ankommt. Folgendes: Vor einigen Tagen zog sich unsere Front einige Kilometer zurück, um wiedermal einen großen Teil der Sowjetarmee in einen Kessel zu locken. Wie ich Euch schon schrieb, fahre ich jetzt einen dreiachser Russenwagen und der ist bestimmt besser als jeder andere L.K.W. unserer Batterie. Die ganze Sache vollzog sich in der Nacht. Den ganzen Tag über hatte ich den Motor nicht kalt werden lassen da nun eine Zugmaschine von uns ausgefallen war, mußte ich hinter meinem Wagen eins unserer Geschütze spannen. Schon oft hatte ich zu der Last von sechzig Schuß noch ein Geschütz hinterhängen. Als es nun gegen 21.00 Uhr los ging, stotterte mein Wagen schon und knallte fürchterlich hinten heraus, da dachte ich schon, wenn das nur gut geht. Wir waren einige hundert Meter gefahren in stockdunkler Nacht da hielt der ganze Haufen schon wieder und meine Kiste machte Krach zum davonlaufen. Alles stellte die Motoren ab und ich dann auch. Es war richtig kalt. Es dauerte eine Weile, da hieß es „anwerfen“. Ich warf meinen Wagen an …, nanu, er gab keinen Laut von sich, noch einige Male versuchte ich, nichts zu machen. Ich holte unseren Montör herbei, der sah einmal nach und konnte sich auch nicht erklären woran es lag. Befehl war, jeder Wagen der unterwegs stehen blieb, sollte angesteckt werden. Ich hatte schon Angst und Bange, finstere Nacht und die Russen hinter uns. Unser Schirrmeister sagte zu mir, das Geschütz nehmen wir mit und sie bleiben hier mit einem Uffz. bis das wir sie holen, ich sagte schlagartig, das kommt gar nicht in die Tüte, ja dann muß der Wagen stehen bleiben. Ich hätte im Moment heulen können, aber mein Leben war mir lieber. Dann blieb ein anderer und ein Uffz. bei dem Wagen, die, wenn die Russen eher kommen sollten, den Wagen vernichten sollten. Nun war alles so aufgeregt und alles mußte so schnell gehen, da habe ich nur das was ich anhatte, mein Gewehr und mein Photo mitnehmen können. Dann gings los. Als wir morgens gegen 6.00 Uhr unsere neue Stellung erreicht hatten, kam kurze Zeit drauf die anderen beiden, sie waren nicht mehr lange geblieben, da waren die Russen da. Nun habe ich alles auf dem Wagen, ich hätte mich tot ärgern können. Meine beiden Decken hatte ich zum Glück auch noch gepackt. Alles andere werde ich Euch dann erzählen. Nun möchte ich Euch bitten, schickt mir bitte einen kleinen Rasierapparat, den man so in die Tasche stecken kann, ein Stückchen Wasch- und Rasierseife, eine Seifendose, Zahnpasta und Zahnbürste, eine kleine Schuhbürste mit Schuhkrem, ein kleines Handtuch und wenn Ihr bekommen könnt ein Butterdose, die nicht so schnell kaputt geht. Wenn Onkel Fritz so gut sein will und mir ein Paar dicke Socken besorgen will, wäre ich ihm dankbar. Wenn Ihr noch so einen Ohrenschützer habt, könnt Ihr mir auch schicken. Sonst ziehe ich die Feldmütze über die Ohren. Durch so einen verdammten Mißt habe ich nun meine ganzen Klamotten verloren. Na, wenn wir nach Hause kommen, kriege ich alles ersetzt. Jetzt habe ich wieder keinen Wagen mehr, den werden die Russen wohl ausplündern. Na gut daß ich es nicht sehe. Ehe ich mich doch in Gefahr begebe, laß ich doch lieber meine Karre stehen und haue ab, ich glaube, daß ich nicht falsch gehandelt habe, jeder andere wird es genau so gemacht haben. Schickt mir diese Sachen bitte so schnell wie möglich, damit ich nicht so andere belästigen und anbetteln muß. Laßt Euch aber bitte nicht durch diesen Brief Eure Weihnachtsstimmung verderben, denkt ich wäre mitten unter Euch, dann wird es Euch doch nicht so schwer fallen. Hiermit wünsche ich Euch allen noch einmal gesegnete Weihnacht und alles Gute bis auf ein frohes Wiedersehen. Ich bin noch gesund und munter was ich auch von Euch hoffe. Seid nun alle recht herzlich gegrüßt aus dem Felde von Eurem Sohn Karl.

 

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