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Brief (Transkript)

Johannes Hamm an seine Ehefrau am 26.08.1943 (3.2002.7184)

 

26.8.43


Meine liebe Käthe!

Dein Geburtstagsgeschenk steht vor der Tür. Beinahe hätte ich zu spät daran gedacht und schreibe Dir nun vorsorglich per Luftpost, auch auf die Gefahr hin, daß er zu früh eintrifft. Dieser Geburtstag wird für Dich nicht wie bisher ein Tag freudiger Besinnung sein. Du machst Dir wohl ebenso wie alle Gedanken und Sorgen um uns hier draußen und vor allem um Deine Eltern und Angehörigen daheim. Was mich betrifft, so ist das überflüssig. Ich habe zwar schwer zu arbeiten, aber das ist auch alles.
Wohl gab es Tage, in denen die Gefahr näher rückte, aber ich sitze so weitab vom Schuß, daß das alles Lappalien sind. Kommt mal die Post längere Zeit nicht, so bin ich auf der Achse. Also dadurch laß Dir die Stimmung nicht beeinträchtigen. Ich werde wohl Weihnachten bei Euch sein. Für mich hat der Krieg also seine Schrecken verloren, soweit es mich als Individuum betrifft. Deine Eltern werden wohl Berlin verlassen. Bleiben sie, so sind sie meiner Ansicht in Fronau nicht allzu gefährdet.
Es war gut, daß Du umzogst. Nur schade, daß wir nicht mit allen Möbeln umzogen. Seien wir dankbar, daß der Umzug noch im besten Augenblick gelang. Heute wäre es ausgeschlossen. Kommt Deine schwere Stunde, so wird meine Mutter Dich betreuen. Außerdem hat sich die Frau meines Kameraden Breymann als Säuglingsschwester angeboten zu kommen, wenn Du willst. Ferner schlage ich Dir vor, rechtzeitig vorher nach Schieratz zu fahren. Vielleicht 1 Woche und Dich ins Krankenhaus zu legen. Meine Mutter führt den Haushalt dann. Das Geld spielt in diesem Fall keine Rolle. Wenn Du sonst noch Wünsche hast, schreibe sie sogleich. Vielleicht kann ich mit Rat und Tat helfen. So manches läßt sich hier draußen noch besorgen wie Du an der Fliegengase gesehen hast. Fehlen im Haushalt auf Eisenschein zu beschaffende Gegenstände? Nägel, Beschläge? Habt Ihr genug zu Essen.
Auch eine andere Sorge möchte ich Dir nehmen. Ich weiß aus Urlaubererzählungen von der Stimmung daheim, daß viele glauben, wir könnten den Krieg nicht gewinnen. Das ist Unsinn. Ich sitze an einer Stelle, wo ich beurteilen kann, wie die Aussichten sind. Der Gebietsverlust bei Orel beruht auf einer freiwilligen Räumung im Rahmen einer Abnutzungstaktik, die dem Feind Opfer an Blut und Material gebracht hat, die es ihm unmöglich machten an einem Schwerpunkte durchzubrechen und operative Erfolge zu erzielen. Das Gleiche wird von Charkow gelten. Ich war am letzen Tag in Orel. Der Russe fand nur einen Trümmerhaufen. Die Eisenbahnen sind durch neuartige Verfahren so zerstört, daß sie in absehbarer Zeit nicht instand gesetzt werden können. Ich bin der Überzeugung, daß der Russe so zermürbt wird, daß er nicht mehr angreifen kann im großen Stil. Unsere Regimenter, d.h. unsere Waffe blieb vollkommen in Takt, wenn auch Verluste eingetreten sind. Diese halten sich in mäßigen Grenzen und wiegen den Abwehrerfolg auf. Ich schreibe Dir dieses nicht, um falsche Hoffnungen zu erzeugen, sondern um Beeinflussung von Dritter Seite entgegenzuwirken, soweit sie stattfinden sollten. Ich glaube an den Sieg.
Freilich verhehle ich nicht, daß alles, was und lieb und wert war in Deutschland nach und nach zerstört werden wird durch die Luftangriffe. Furchtbar sind die Opfer der Zivilbevölkerung. Furchtbarer aber würden sie sein, wenn wir vor dem Luftterror kapitulieren. Ich ziehe für meine Person und Euch, so hart es klingen mag, den Tod der Unterwerfung unter den Bolschewismus oder die Juden vor. Ich kann mir das Leid der Bevölkerung vorstellen, obwohl die Wirklichkeit in Hamburg meine Vorstellungen wohl 100 fach übertreffen wird. Trotz allem müssen wir duchhalten, bis der Bolschewismus endgültig zurückgetrieben ist. Du und die Kinder auch ich sind in der glücklichen Lage dem Verhängnis entronnen zu sein. Seien wir dankbar und helfen wir, wo es geht, wenn die Bombengeschädigten in Schieratz oder Warte eintreffen. Das gleiche gilt auch für meine Mutter, die ich Dich bitte aufzunehmen. Auch für Deine Schwägerin wird noch Platz sein.
Wenn meine Zeilen Dich im Glauben an ein gutes, ich will nicht sagen „glückliches“ Ende des Krieges bestärken können, so ist das vielleicht eine kleine Geburtstagsfreude. Gerne hätte ich Dir eine andere gemacht, Dir ein Bild oder ein Gedicht geschickt, aber seit ich nicht mehr an der Front bin, habe ich keine Intuitionen und allen Schwung außerdem verloren. Ich bin eine „Stabswanze“ geworden. Nimm es mir nicht übel. Ich selbst stehe oft traurig vor meinen vielen Zeichenblocks und wundre mich, daß noch nichts geschaffen wurde. Ist es die „künstlerische Pause“ oder werde ich alt?
So kann ich Dir nur versichern, daß ich Dich grenzenlos liebe und meine Sehnsucht täglich nach Dir ruft. Obwohl ich nicht an der Reihe bin, habe ich das Gefühl, Weihnachten bei Euch zu sein. Dann wollen wir das 3. Lüttje taufen und 3 Wochen beisammen sein, wie in alten Zeiten, wenn auch ohne Schampus und Liqueur. Bis dahin bleibe meine tapfere kleine Soldatenfrau. Halte den Kopf hoch! Tu nicht zuviel, dafür ist das Mädchen da. Ich hoffe, daß es Dir jetzt, wo die Wärme nachgelassen hat, gesundheitlich besser geht.
Feiere Deinen Geburtstag recht schön. Kuchen wird ja wohl genug gebacken sein und die kleinen werden Dir nun schon gratulieren. Also schmeiß mal alle Sorgen von Dir und freue Dich ein paar Stunden.
Es grüßt und küßt Dich herzlichst
Dein Hans
Falls noch nicht geschehen:
Sofort alle Konten nach Warte überschreiben lassen. Gesiwo [?] soll sofort alle Gehaltszahlungen nach Warte schicken. Postscheckkonto in Warte einrichten. Alle Daueraufträge in Warte ausführen lassen.
Hat Dr. Jaenicke Miete und Verdunkelung bezahlt?
Ist das Geld für meinen Wettermantel eingegangen?
Ferner vom Deutschen Mateuerverlag?
Von Totzek?
An Gesiwo [?] schreib ich mein Gehalt an Dich in Warte zu überweisen. Schreibe mir noch einmal Deine Kontonummer.

Herzlichst Hans

 

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