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Brief (Transkript)

Johannes Hamm an seine Ehefrau am 28.05.1940 (3.2002.7184)

 

28. V. 40



Liebe Käthe!

Ich bin beim Sturm auf St. Vernon durch einen Prellschuß an der rechten Fußspitze leicht verwundet worden. Liege nun in St. Pol in einer Krankensammelstelle und warte auf meinen Abtransport in die „Heimat“. Die Verwundung ist zwar leicht, aber sie schmerzt sehr, da der große Zeh breit gequetscht wurde und ich bei jeder Bewegung einen Krampf bekomme. Mache Dir keine Sorgen. Ich hoffe bald 14 Tage Erholungsurlaub zu bekommen.
Es war der 3. Großangriff und wieder ein herrlicher Erfolg. 3 Tage lagen wir in Löchern tief eingegraben vor einem Kanal und warteten auf den Angriff der eingeschlossenen Engländer. Schulter an Schulter mit der SS-Standarte Germania. Mein Vetter Dieter Richter lag nur wenige 100m von mir. Doch konnte ich leider nicht Verbindung aufnehmen. Artilleriefeuer des Gegners war schwach. Er hatte wohl nur noch wenig Munition, da die Zufahrten [?] abgeschnitten waren.
In der Nacht vom 26. zum 27. gingen wir neben den Kanal. Wir waren auf der Hauptstraße, die nach St. Vermain führte, eingesetzt. Kurz vor dem Angriff erfuhr ich, daß das E.K. mein Gruppenführer erhielt, der beim Sturm auf die Dyle hinten geblieben war, während ich die Gruppe führte. Es war eine bittere Enttäuschung und ich hatte nur noch wenig Stimmung wegen dieser Ungerechtigkeit.
Auf der Straße lag eine zerschossene Pionierabteilung der SS, die 3 Tage zuvor in einem Hinterhalt geraten war. Als wir uns den LKWs näherten, fängt einer wie irrsinnig an zu hupen. Keiner kann es sich erklären, da doch alle von der Kolonne tot waren. Da sehe ich am Steuer kreidebleich ein Weib sitzen. Eine Irrsinnige, die wohl zu ihrem Privatvergnügen hupt. Sie wird mit Kolbenschlägen zur Vernunft gebracht und schreit noch einmal Germans! dann starrt sie wie eine Megäre uns nach und lacht. Es war schaurig. Der Feind war gewarnt. Links am Wege eine zerschossene Irrenanstalt. Am Tag zuvor, als ich Posten am Wege stand, waren schon 2 Irrsinnige angekrochen. Als sie mich sahen, bekreuzigten sich, schrien: Le diable! sanken auf die Knie und fingen mit erhobenen Händen laut an zu beten.
Weiteres Flankenfeuer störte den Marsch entlang der Straße. Wir gehen bis an den Bauch durch schlammige Wiesen im Chausseegraben vor. Dem neuen Kompaniechef, der vor einer Stunde die Kompanie übernahm, ist es wohl zu feucht. Er geht auf der Straße entlang - und fällt sofort.
Meine Gruppe diesmal als Reservegruppe des 1. Zuges eingesetzt, liegt fest. Vor uns an der Straßenkreuzung MG-Nester und Pak. Keiner konnte vor. Da heißt`s dann 1. Gruppe nach vor. Hamm 1. Gruppe übernehmen. Der eigene Gruppenführer Ufz. Schilling führt den 1. Zug. Ich soll die MG-Nester und Pakstellung nehmen. Ich habe ganze 4 MG Schützen und 1 Karabinerschützen. Die anderen sind feige und kommen nicht mit. Ich komme heil über die Straße, stoße rechts in eine dichte Hecke und ein Gebüsch und dringe mit einer geballten Ladung in der Linken und den Karabiner in der Rechten in das Eckgehöft an der Kreuzung ein. Ich rufe laut: „Come out Tommy, hands up we don`t shoot.“ Klassisches Englisch ist es nicht, aber geholfen hat`s. Plötzlich steht ein baumlanger Tommy vor mir, dann noch einer, noch einer, immer mehr, jetzt sinds 15 Mann und ich alleine davor. Gott sei Dank kommt in diesem Augenblick mein MG Schütze Bulley. Er schießt dummerweise sodaß die Tommys sich z.T. wieder in das Haus zurückziehen, um sich zur Wehr zu setzen. Ich lasse stopfen. Nehme einen Tommy beim Kragen und schiebe ihn vor mir her in`s Haus und lasse ihn die übrigen zur Übergabe auffordern. Sie kommen nicht heraus. Da schicke ich meine 15 Gefangenen zurück und schmeiße die geballte Ladung hinein. Das halbe Haus stürzt zusammen. Die darin waren sind erledigt. Das Haus ist von einer Mauer umzogen, über die ich 6 Tommys flitzen sehe. Als ich eine Stahltür in der Mauer öffne, sehe ich im Sumpfgraben 6 Tommys teilweise bis zum Halse stecken. Wie ich sie heraushole, schießt von hinten mein Kamerad Ufz. H, der mich wohl nicht sehen konnte auf die 6 Tommys und eine Kugel klatscht mir auf den großen Zeh. Den Tommys ist nichts passiert. Ich verbinde mich selber und besetze dann mit meinen paar Leuten die Straßenkreuzung. Der Auftrag ist, abgesehen von meiner Verwundung, durchgeführt. 21 Tommys mit eigener Hand gefangen. Die Kompanie kann nun gefahrlos das erste Angriffsziel den Bahndamm besetzen. Ich versuchte dann noch ohne Stiefel den Chaussegraben an der Kreuzung zu säubern und ging mit einem Panzer dort entlang. Da die Tommys sich nicht ergaben, schoß ich sie stehend freihändig ab. Inzwischen war mein Fuß so geschwollen, daß ich nicht mehr laufen konnte. Der neue Kompaniechef klopfte mir auf die Schulter und sagte ich hätte meine Sache gut gemacht. Tränenden Auges nahmen meine Leute von mir Abschied und dann begann die qualvolle Fahrt auf einem Krad nach hinten. Die Tommys waren die Leibgarde des Königs von England. Das beste englische Regiment. Nun ist der Krieg für einige Wochen aus und ich hoffe bald auf Urlaub zu kommen. Evtl. kannst Du mich besuchen, sobald ich im Lazarett bin.
Dein Hans

 

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