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Brief (Transkript)

Hellmuth H. an seine Familie am 23.10.1941 (3.2002.7139)

 

Nr. 57

23.10.41



Mein liebes Beißerle!

Deinen lieben Brief vom 27.9., sowie die vorhergehende Karte „aus dem Gutachtal“ habe ich erhalten. Ich freue mich immer, wenn Du so nett ausführlich vom Pummer schreibst. Nun wirst Du ja vielleicht schon wieder den Dicken dahaben und er wird wahrscheinlich damit prahlen, was er alles Gutes in Stuttgart gehabt hätte, vielmehr Besseres! Vielleicht ist er aber noch in Stuttgart, was ich begrüßen würde. Wenn Du übrigens nach Stuttgart kommst oder kamst, wirst Du Dir sicher auch die Wohnungsbauausstellung angesehen haben; das ist sicher was für Dich! -
Seit ein paar Tagen sind wir wieder mal vorne, auf der Landenge zu einer großen Insel, bzw. Halbinsel. Es wird mit allen Schikanen gekämpft, besonders sind von russischer Seite ganz anständig Flieger eingesetzt. Auch Panzer erscheinen, einer grade vor uns, der aber abdrehte, als ich mit meinen 3 Panzerbüchsen ihm einige Dinger brannte. Bei einem zweiten Angriff gestern habe ich mir auch etwas eingehandelt, einen niedlichen Oberarm-Steckschuß links, den ich, solange das Geschoß nicht rausgeholt ist, für einen Streifschuß halte. Ich habe jedenfalls mit dem Arm, wie mit dem rechten, einen Schwerverwundeten meiner Männer verbunden und mit hintergetragen 1-2 km. Schmerzen habe ich eigentlich gar nicht; der größte Schmerz ist jedenfalls der, daß ich nun, wo ich durch die Lazarette nach hinten wandere, keine Post mehr bekommen kann; die Post kommt also jetzt zurück an Dich. Wie weit ich nach hinten komme und wie lange ich von der Kompanie wegbleibe, weiß ich nicht. Jedenfalls wird bis dahin wohl dieser wohl letzte Einsatz 1941 vorübergerauscht sein.
Gestern gab es übrigens wieder allerlei Verluste; ich weiß von 3 Toten und 20 Verwundeten; z.B. Münzner (den wir als Gefreiten auch damals in Schrimm mal dahatten (lobte Wohnen in Berlin!) 2 Schulterschüsse, Janther, der damals in Alt-Limmritz „festgefahren“ war, gefallen usw. Immer mehr von den Alten der Kompanie fallen aus. Hoffentlich ist die Sache vorn südwärts bald ausgestanden. Die Russen laufen massenhaft über, aber sie schießen vorher ganz ordentlich, haben gute Artillerie, allerlei Waffen, die wir nicht haben bzw. kennen, alle 2 Stunden 25-30 Bomber und Jäger über uns; es ist wie gesagt, alles dran und man wundert sich nur, daß nicht mehr passiert. Gestern meinte einer sarkastisch: Keine 10 Jahre und wir haben auch die Waffen der Russen! Wenn Du Dich jetzt über meine harmlose Blessur aufregst, ist das sehr unlogisch, denn mit diesem Moment ist ja für einige Zeit jede Gefahr gebannt und Du mußt von Deinem Standpunkt aus jetzt vollkommen beruhigt sein. - Ich vergaß übrigens noch zu erzählen, daß zwischen uns und den Russen ein reger Papierkrieg entbrannt ist; von russ. Seite z.B. regnet es „Nachrichten aus der Heimat“, „Nachrichten vom Ausland“, sogar „Nachrichten von der Front“, kommunistische Gedichte über den „Fahneneid“, „Grabgespräch zweier vom Führer enttäuschter gefallener Landser“, historische Parallelen und Aussprüche deutscher Militärs von Stein bis List über das Verhältnis Deutschland-Rußland, „Leiden und Krankheiten des deutschen Soldaten“ usw. usw. Alles dies als Passierschein zu den Roten; es ist völlig hoffnungslos, daß irgendjemand darauf hereinfällt, die Russen scheinen von Massenpsychologie bzw. überhaupt Psychologie keine Ahnung zu haben.
Beim letzten Brief mußt Du schon sehr müde gewesen sein! Du hast Deinen Brief im Umschlag an Dich verklebt!
Anbei 2 verschiedene typische Steppenpflanzen, die schön und stark riechen, besonders wenn man nachts durch die Steppe geht. An Mutti und die Eltern schreibe ich auch noch, damit die keinen Schreck bekommen, wenn die Post zurückkommt.
Nun, herzliche Grüße von Deinem nun leider lange ohne Post lebenmüssenden Hellmuth.

Wie wäre es, wenn Du ein Dia-Betrachtungsgerät zwischen 10 und 20 RM kauftest; ich hätte Freude daran.

 

 



Ansicht des Briefes

 

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