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Brief (Transkript)

Hans Brohm an eine Eltern und Geschwister am 10.06.1916 (3.2011.3534)

 

Brügge d. 10. Juni 1916



Meine lieben, guten Eltern und Geschwister!

Meine kurzen Nachrichten werdet Ihr wohl erhalten haben und Euch ein kleines Bild von meinen Fahrten in der Nordsee machen können. Hoffentlich ist es Euch allen noch gut gegangen und seid auch hoffentlich alle noch gesund und munter. Um mich habt Ihr Euch nicht ängstigen brauchen, da Ihr doch sicherlich meine Karten aus Brunsbüttel, Wilhelmshaven und Zeebrügge erhalten habt. Ich will Euch nun einigermassen mein bisher Erlebtes schildern. Am 30. Mai nachmittags ½ 1 Uhr kam plötzlich Befehl: Dampf auf allen Kesseln. Wir lagen in Wilhelmshaven. Als erste Flotille gingen wir durch die Schleuse und lagen kurz darauf auf Schillich Reede auf unserem alten Ankerplatz. Inzwischen waren noch die anderen Flotillen, Kreuzer, Schlachtkreuzer und Linienschiffe ausgelaufen und hatten sich alle gesammelt. Nachts um ½ 2 Uhr wurde auf dem Führerboot die Ankerlicht-Laterne gesetzt und langsam, ganz allmählich, ging ein Schiff nach dem anderen durch die Sperre in See. Ich hatte Wache von ½ 1 – ½ 7 Uhr. Wir hatten nördliche Kurse und fuhren etwa mit 21 Meilen. So fuhren wir bis zum nächsten Morgen. Von da ab begann der Handelskrieg. Dampfer für Dampfer wurde angehalten und durchsucht. Einige von ihnen fuhren mit einem deutschen Prisenkommando an Bord in einen deutschen Hafen. So waren wir nachmittags 4 Uhr mit einen dänischen Dampfer (Fritjof) beschäftigt. Der Kapitän kam im Kutter zu uns an Bord und wollte sich ausweisen. Er war schon im Begriff auf das Fallrepp zu steigen, als wir an Backbord-Seite 2 Rauchsäulen bemerkten, die späterhin sich auf 4 erhöhten. Der dänische Kapitän wurde schnell abgesetzt und in Pressfahrt ging es ran an den Feind. Es dauerte auch gar nicht lange, bis die Schiesserei los ging. Wir morsten die Schiffe an. Als Antwort bekamen wir eine Salve 15 cm. Granaten. Auch wir wehrten uns, konnten jedoch nicht so weit schiessen. Wir zogen uns zurück und einer unser kleinen Kreuzer vertrieb diese 4 Kreuzer. Also wir haben diese grosse Schlacht eröffnet. Nach kurzer Zeit konnte man auch am Horizont eine Rauchwolke nach der anderen sehen und die Schlacht begann. Unsere schönen Panzerkreuzer griffen ein und haben sich ungefähr 2 Stunden mit der ganzen englischen Flotte beschäftigt. Wir waren dicht hinter den Panzerkreuzern immer bereit sofort einen Angriff zu fahren, um zu retten, wa s noch zu retten war. Aber Gott sei dank kam noch zur rechten Zeit die Linienschiffe und jeder atmete ordentlich auf als wir abschwenkten und die grossen Schiffe zum Wort kommen liessen. Dass unseren Booten nicht mehr passiert ist, wundert mich sehr. Überall, wo man hinsehen konnte, schlugen Granaten ein und meterhohe Wassersäulen spritzten uns manchmal vollkommen nass. Eins unserer Boote verlor einen Mast, sonst sind wir alle unbeschädigt. Trotzdem wir unsere Schlachtkreuzer und Boote zurückgezogen hatten, hatten wir immer noch mit englischen Zerstörern zu tun, von dem unser Boot auch eins erledigt hat. Wir kreuzten immer auf und ab und sicherten die Panzerkreuzer. Die griffen später noch mal ein und wie es gekommen ist weiss ich nicht, aber plötzlich hiess es, wir sind abgeschnitten und müssen sehen, ob wir um Skagen nach Hause kommen, sonst sind wir rettungslos verloren. Die Maschinen mussten natürlich hergeben, was sie konnten und nun ging es immer nach Norden, in den frühen Morgenstunden nach Osten bis nach Göteburg, kurz vor Schweden bogen wir nach S.W. um und fuhren nach dem kleinen Belt. Diese letzte Fahrt war einfach herrlich und ich werde sie auch nie vergessen. Kurz hinter dem kleinen Belt musste die Freiwache antreten und der Kommandant las den Erfolg der Seeschlacht vor. Drei donnernde „Hurras“ wurden ausgebracht und gleich hörte man alles mögliche erzählen. Kleine Gruppen bildeten sich an Deck und über dies und jenes wurde verhandelt. Wir freuten uns sehr, dass es nach Kiel ging, aber es ist ja Krieg und wir fuhren gleich durch den Kanal nach Wilhelmshaven. Schnell wurde Oel genommen, Kesselwasser gewechselt, Munition aufgefüllt und wir fuhren glücklicherweise noch nicht wieder in See. Abends um ½ 10 Uhr konnte ich noch an Land gehen und machte eine nette, schlichte Feier auf dem Marktplatz mit und ging gleich zu Flisters, wo ich mit einen Jubelschrei empfangen wurde. Ich habe dort noch bis 11 Uhr gesessen. Es war sehr nett und gemütlich. Um ½ 12 Uhr klappte ich aber vor meiner Koje todmüde zusammen und hab das Versäumte ordentlich nach geholt. Das war am Freitag. Am Sonnabend hatten wir Kameraden eine kleine Feier und am Sonntag ging es wieder ganz plötzlich in See, sodass ich mich garnicht verabschieden konnte. Von Wilhelmshaven durften wir noch nicht schreiben und auch von Schillich Reede. Ich war also vollständig abgeschnitten. Sonntag nachmittag 2 Uhr fuhren wir von Schillich fort und kehrten wegen der tollen See und grossen Windstärke (8) um. Wir blieben noch 2 Tage dort liegen und fuhren nun am Mittwoch nachmittag nochmals los. Wir fuhren an den ostfriesischen Inseln vorüber und bogen bei Borkum nach Norden ab und fuhren dann an den ostfriesischen Inseln vorüber und bogen bei Borkum nach Norden ab und fuhren dann nach 10 Seemeilen wieder Westwärts. Mit allen möglichen Scheinmanövern ist es uns gelungen bis in den Kanal zu kommen und vereint mit unseren andern Flanderbooten eine wichtige englische Anlage im Kanal teilweise zu zerstören. Am Nachmittag, es war nun bereits Donnerstag geworden, liefen wir in Zeebrügge ein, von wo ich Euch sofort eine Karte geschrieben habe. Auf der Mole stand die Kapelle der Matrosen-Artillerie die uns mit einem schönen Lied, Deutschland, Deutschland über alles empfing. Das Alles miteinander war doch für mich ein gewaltiger Eindruck und nie werde ich das vergessen können. Von Zeebrügge fuhren wir durch den Kanal nach Brügge. Gestern Freitag hatte ich Gelegenheit an Land zu gehen. Wir waren von den U-Boots-Aspiranten eingeladen worden. In einer früheren grossen Pension haben sich die Aspiranten eingenistet. Alles ist noch tadellos erhalten und in bester Ordnung. Wunderschön grosse Räume sind in dem Gebäude.
2 Aspiranten bewohnen ein Zimmer. Ein Obermatrose kocht für sie und andere Matrosen sind ihre Burschen, die den ganzen Bau in Ordnung halten. Ich war einfach sprachlos, was man hier noch zu Essen bekam. Fleisch, Schinken, Wurst, Butter, Eier in Hülle und Fülle und noch andere schöne Sachen. Nach einem allgemeinen Bummel durch die schöne, alte Stadt, während dessen ich den grossen Witzleb traf; wurde noch ein gemütlicher Abend veranstaltet. Witzleb fuhr mit seinem Auto vorbei, hielt aber gleich an, als er mich bemerkte. Morgen wollen wir uns treffen. Herrmann ist ja auch hier. Die Welt ist doch zu klein. - Ziemlich spät kam ich an Bord und war heute natürlich noch todmüde. Das ist ungefähr in kurzen Umfang, das was ich erlebt habe und Euch schreiben darf. Vielleicht komme ich doch noch mal auf Urlaub und dann will ich Euch noch mehr erzählen. Meine Anschrift lautet:
Mar. Jng. Applikant Brohm
S.M. Tpdb. B 110 IV. Halbflottille
durch Marine – Postbüro
Berlin.
Hoffentlich bekomme ich nun bald etwas von Euch zu hören. Kurt wird wohl meinen Glückwunsch nicht zur rechten Zeit erhalten haben. Die Post ist erst gestern in Wilhelmshaven frei gegeben worden, wurde uns erzählt. Vor allen Dingen freut es mich, dass ich nun hier in Flandern auch noch etwas von dem Krieg merke und fühle und das nicht zu knapp. Aber Unkraut verdirbt nicht, sagt immer unser Aspirant, wenn wir in See fahren. Nun Schluss für heute. Schrift müsst Ihr entschuldigen, ich muss aber noch so viel schreiben. Das ist der erste längere Brief, den ich seit der Seeschlacht fortschicke.
Euer Geld werde ich wohl auch hier erhalten. Seid alle recht herzlich gegrüsst von
Eurem treuen Jungen
Hans Brohm.
Anbei einige Bilder. So kennt Ihr doch wenigstens sehen wie ich hier an Bord aussehe. Falls Ihr noch einige Bilder haben wollte, müsst Ihr Euch an Photograph Rohwer Kiel wenden. Er hat die Abzüge gemacht und hat auch noch die Platte. Die kleinen Bilder für Euch und Giebels und nähere Bekannte.

 

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