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Brief (Transkript)

Curt Emmrich an seine Schwester am 03.04.1918 (3.2011.3532)

 

d. 3.4.1918



Mein liebes Schwesterlein!
Dass ich heute an Deinem Geburtstage, noch an einem Tisch sitzen würde, mit frischer Wäsche, gewaschen, rasiert und mit verhältnismäßig sauberen Fingern – ein Schnitzel mit Kartoffeln auf dem Ofen – Dir einen Brief schreiben würde hätte ich gestern Abend nicht gedacht. Aber es ist so, und ich kann Dir dabei gleich ein ganz kleines Geschenklein machen die beifolgender Photographie, die noch vor Beginn der Offensive gemacht ist, in einem Dorfe bei Gnese[?]. Ich bin gerade bei der Waffendurchsicht, der letzten vor Beginn der grossen Schlacht, und ich muss sagen, es hat geklappt.
Ich bin froh, dass ich so durchgekommen bin. Ihr werdet wahrscheinlich manche Anzeige in der Zeitung gelesen haben. Ich habs nochmal geschafft. Wann wir nun wieder hineinkommen, das lässt sich natürlich nicht sagen. Jedenfalls könnt Ihr jetzt ein Weilchen beruhigt sein.
Ein wenig traurig bin ich über Eure Faulheit beim Schreiben. Jetzt hats schon 3mal Post gegeben und ich hatte nichts dabei ausser dummen Zeitungen. Vor allem von Mutti vermisse ich seit langem eine Nachricht.
Das Dorf hier solltet Ihr mal sehen. Natürlich gerammelt voll Truppen. Mein Quartier(!) ist eine kleine Stube, in der meine 4 Ordonanzen mit drin sitzen, gehäuft voll Stroh. In der Kirche liegen die Landser auf grossen Haufen Stroh zwischen den Bänken. Die Heiligen haben alle so indignierte Gesichter. Der Regen plätschert sanft zu den bunten zerschossenen Fenstern herein und irgend ein guter Geist spielt Orgel mit schweren berauschenden Klängen. Ich trete ins Freie. Kleine Veilchen zwischen frischen Gräbern. Ich rauche meine letzte Zigarette für die ich 1 M bezahlt habe. Geld ist nichts wert. Ein idealer Zustand.
Es wird dunkel und zu meinem Fenster ziehts sehr kalt herein. Denn es ist kein Glas mehr drin.
Tausend innige Küsse Dein
Curtel.

 

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