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Brief (Transkript)

Heinz Donner an seine Ehefrau am 05.11.1917 (3.2007.1656)

 

Den 5. Dezember 1917



Meine innigstgeliebte Paula
Für Deinen Brief vom 29. v. Mts. meinen besten Dank. Er hat mir allerdings über Dinge Aufklärung gebracht, die weniger erfreulich aber immerhin von Interesse sind. In erster Linie hätte ich Grund über meine lieben Schwägerinnen erzürnt zu sein, die sich nicht scheuten, mich in umschriebener Form der Drückebergerei zu bezichtigen, mich, der schon mehr als 3 Jahre mitten in diesem nervenzerstörenden Kampf stehe. Für solche aus einem Weibermunde stammenden Äußerungen habe ich nur ein mitleidiges geringschätziges Lächeln, denn solches Verhalten beweißt, daß diese Naturen für die Größe unserer Zeit gar kein Verständnis haben, für die jahrelang mutig getragenen Entbehrungen und Leiden der Frontsoldaten gar kein Verständnis haben und denen ich wünschen würde, daß sie am eigenen Leibe und an ihrer Ehre verspüren, was es heißt, den Feind im Lande zu haben.Wäre es ein Mann gewesen, der mir derartige Äußerungen ins Gesicht geschleudert hätte, es wäre nicht ungerächt geblieben, denn ich habe während der Kriegszeit meine Ehre immer hochgehalten, sei es in überlegenem Siegesgefühl dem wehrlosen Feuer gegenüber, sei es gegenüber unseren Vorgesetzten, die Minen machten mit ihrer Kommandogewalt Mißbrauch zu treiben. Nur meinem Widerstand in dieser Hinsicht habe ich es zuzuschreiben, daß ich im 4ten Kriegsjahr wegen Achtungsverletzung vor versammelter Mannschaft und Gehorsamsverweigerung um ein Haar nach Ulm auf[?] die Festung gekommen wäre, aber seit diesem von höherer Stelle als unerhört bezeichneten Zwischenfall habe ich meine Ruhe. Der betr. Unteroff. hat eingesehen, daß ich kein Rekrut mehr bin und wenn ich nicht ein derart ausgeprägtes Kameradschaftsgefühl hätte, so hätte ich reichlich Gelegenheit, von dem mir von meinem früheren Feind und Vorgesetzten nunmehr in reichlichem Maße entgegengebrachte Wohlwollen Gebrauch zu machen und mir in jeder Hinsicht Erleichterungen zu verschaffen. Aber solange ich dies auf Kosten meiner Kameraden tun muß, widerstrebt es mir. Und gerade wegen dieser Uneigennützigkeit habe ich unter uns Telefonisten derart an Sympathie gewonnen, daß ich jeden als meinen Freund betrachten kann.
Nun liebste Paula komm ich zu dem Punkt, der Viktor betrifft. Es fällt mir tatsächlich schwer, mich ohne Weiteres Deinem Urteil anzuschließen. Ich habe bisher von Viktor eine solch hohe Meinung gehabt, daß ich die Nichtanzeige seines Erscheinens nur auf ein Mißverständnis zurückführen kann. Er hat natürlich nachzuweisen, daß er nicht schuldig ist (und diesen Nachweis werde ich von ihm verlangen) und auf Grund seiner Aeußerung werde ich dann mich einrichten. Denn ich empfinde es als eine Beleidigung meiner Person von einer Frau sozusagen an der Nase herum geführt wird und Du darfst versichert sein, daß ich es nicht nur als eine Pflicht sondern als eine Ehre betrachte, als Rächer einer Dir angetanen Beleidigung aufzutreten. Denn wenn ich Dich noch so hoch achten würde, wenn ich soviel Anlaß hätte, Dir jederzeit Rosen auf Deinen Lebensweg zu streuen, würde ich solche Dinge nicht mit derartigem Ernst behaupten. Meine liebste Paula!
Wollen wir von anderen Dingen reden. Gesundheitlich geht es mir vorzüglich. An Essen und Trinken fehlt es nicht und wenn ich die Güte und Menge des Weines, den ich täglich vertilge nach unseren jetzigen deutschen Verhältnisse bezahlen müßte, so würde mein Gehalt und das Deinige nicht hierzu ausreichen. Ich kann Dir auch ruhig gestehen, daß ich auffallend stark geworden bin und es scheint als ob sich das Heißblütige des Italieners auch schon auf mich übertragen hätte. Auf jeden Fall, herziger Schatz, hast Du allen Anlaß, Dich zu fürchten, wenn ich jetzt nach Hause kommen sollte. Das scheint jedoch nicht in Aussicht zu stehen, denn von meiner Reklamation hört und sieht man nichts, außerdem geschieht in den nächsten Tagen mit uns eine Veränderung, wir kommen nämlich weg, jedenfalls wieder nach der Westfront, dann geschieht etwas Gewaltsames, denn so nahe vor dem Ziel bin ich nicht mehr gewilligt, das jetzt schon 38 Monate ohne Murren getragene Schicksal noch fernerhin zu erdulden.
Laß recht bald wieder etwas von Dir hören und sei nunmehr herzlich gegrüßt und innigst geküßt von Deinem Dich treu liebenden
Heiner

 

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