Ostende, le 11.8. 1915.

Liebe Eltern!
Jetzt neigt sich unser Aufenthalt hier schon dem Ende zu und ich habe bisher noch nicht ausführlich an Euch geschrieben. Es war aber auch schlechterdings unmöglich, wurden wir doch von früh bis spät in Atem gehalten. Zunächst will ich Euch nun meine neue Adresse mitteilen: Führer des Kraftwagengeschützes 27 K Feldpostexpedition des A. O. K. Gaede. In die Vogesen geht also die Reise. Ich freue mich, daß ich nicht nach Russland geworfen werde, wie ein anderer Herr und einen neuen Teil des Kriegsschauplatzes kennen lerne. Sonntag 15. d. M. treten wir die Reise an über Mèzièrs – Metz – Straßburg nach Mühlhausen, woselbst sich das A. O. K. befindet. Ich hoffe die Reise noch mit einem Abstecher nach Coblenz verbinden zu können; wenn dies nicht möglich ist, muß R. nach Metz kommen, dann können wir noch eine Strecke zusammen fahren. Wir waren hier stets von morgens bis abends im Trabe, Geschützexerzieren, Schießen nach Freiballons, die auf dem Meer hochgelassen wurden, Unterricht für die Offiziere (täglich 2 Stunden) Übungen in der Auswahl von Stellungen in der Umgegend wachhalten im bunten Gemisch. Der gestrige Tag war hochinteressant. Wir besahen uns eine am Strande mit allen Regeln der Kunst eingebaute 15 cm Batterie, als wir einen Zeppelin bemerkten, der auf dem Meere lag und von einem Torpedoboot in den Hafen geschleppt wurde. Er war in der Nacht mit noch 3 anderen L-Schiffen nach England gefahren und über Harwich angeschossen worden, er hatte dann noch bis dicht an die belgische Küste fahren können. Als sich unser Torpedoboot näherte, glaubte der Z. Führer es sei ein feindliches und warf Bücher und Meßinstrumente ins Meer. Als wir uns das Einschleppen mit dem Glase besahen, tauchten mit einem Male feindl. Flieger auf, die mit ihren Bomben dem Z. den Rest geben wollten. Alle Strandbatterien eröffneten sofort das Feuer, an dem sich auch 2 unserer K.W.H. Beteiligen mußten. Nach kurzer Zeit legte sich ein Flugzeug getroffen auf die Seite und explodiert. Eine dunkle Masse in Rauch gehüllt, schlug dann aufs Meer auf. Der Kerl war auch zu frech gewesen, trotz starken Feuers war er immer wieder gekommen und flog nur in 800 m. Höhe, während die Kriegsmäßige Flughöhe in letzter Zeit von 2500 m auf 3000 m. gestiegen ist. Gegen Abend fuhren wir zum Hafen, um die Beschädigung des Z. zu betrachten. Als wir etwa 200 m. noch entfernt waren, ging der Z. in Flammen auf. Er sollte in eine andere Lage gebracht werden und war zu diesem Zweck an einen Kran gehängt worden, der sich eine Gaszelle eindrückte, wodurch Knallgas entstand, In kürzester Frist war die Umhüllung abgebrannt und dann griff der Brand auf ein großes Heulager über, in dem sich Heu für das ganze Marinekorps befand. Der Brand hinter unserem Hause in Münster, dem die Mühle zum Opfer fiel, war ein Waisenknabe dagegen. Der Führer des Z. Schiffes, ein Luftschiffer-Hauptmann, tat mir am meisten leid. Er wußte gar nicht was er machen sollte; es war aber auch eine Rettung unmöglich. Wir gingen dann ins Marinekasino zum Essen, das man auf Bon bekommt, (Suppe, 2 Gänge, Speise, eine halbe Flasche Wein und eine Tasse Kaffee, Cigarre), besprachen den ereignisreichen Tag, da ging um ½ 11 das Feuer von neuem los. 2 feindl. Flieger waren wieder erschienen, sie wußten ja nicht, daß der Zeppelin, der das Ziel ihrer Fahrt war, nicht mehr vorhanden war. 7 Scheinwerfer arbeiteten, die die Flugzeuge so hell beleuchteten, daß sie wie große Leuchtkäfer aussahen. Leuchtraketen und Geschosse flogen durch einander, so daß die Flieger es vorzogen, schleunigst abzudampfen. So interessant ist es hier nun nicht alle Tage. Der Glanzpunkt der arbeitsreichen Tage ist immer der Abend im Marinekasino, in dem man tadellos ißt und auch manche Bekannte trifft. So vorgestern Gen. Busse, der famos aussah und nach Wiesbaden auf Urlaub fuhr. Mittags essen wir in unserer Spelunke, die in Mariakerke 15 Minuten von Ostende entfernt liegt. Von R. habe ich täglich Nachricht, während sie von mir noch nichts bekommen hat. Ich kann es mir gar nicht erklären. Mein Lt. ist ein famoser, frischer, tüchtiger Mann, von Beruf Ingenieur. Ich werde gut mit ihm auskommen. Bin sehr gespannt, wo ich mein Quartier aufschlagen werde. Mein Vorgesetzter, Stabsoffizier der B. A. K., deren es bei jedem A. O. K. einen gibt und der sämtliche Abwehrgeschütze unter sich hat, wird mir meinen Platz anweisen. Über dem Stabsoffizier steht der Inspekteur im Gr. Hauptquartier Major Grimme (früher Osnabrück, Frau geborene von Erkelens), der immer an der Front herumreist und besichtigt. Nun lebt wohl, ich habe gleich Abwehrdienst an der Mole von 1-9. Grüßt die ganze Familie Rasch jun.[?] herzlichst. Stets Euer tr. Ernst.