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Brief (Transkript)

Eberhard P. aus Chemnitz an Rolf G. nach Kiel am 02.02.1992

 

--> Chemnitz, 2.2.92

Hallo, liebe Sonny, lieber Rolf!

Wir glauben es Euch gern, daß Pensionäre nie mehr Zeit haben, aber wenn Ihr wüßtet, wie wir zur Zeit gestreßt und konfus „durch de Geschn‘d schdärz’n“ – so viel Neues und gänzlich Anderes mußten wir in den 2 Jahren seit Honeckers Abgang noch nie aufnehmen, lernen und irgendwie in die Reihe kriegen! Zeit? Gar noch Freizeit? Gibt’s gar nicht. So was … Jedenfalls haben wir uns wieder sehr gefreut, von Euch ein Brieflein zu erhalten. Mit der Telefon-Kommunikation geht es ja nun gar nicht mehr, unser privater Anschluß (der laut brieflicher Zusage von TELEKOM mit „höchster Priorität“ behandelt wird) und bis Ende erstes Halbjahr eingerichtet sein soll, läßt noch auf sich warten. Immerhin, neue Hauptkabel wurden auf der Ernst-Enge-Str. bereits verlegt … Irmhild ist ja, Ihr wißt es bereits, seit dem 1.1. arbeitslos, kann also telef. auch nicht mehr erreicht werden, ich habe mich einvernehmlich mit meinem Betrieb zum gleichen Datum „entlassen lassen“, bei einer eigenen Kündigung hätte ich meine Abfindung eingebüßt, nach 31 Jahren Zugehörigkeit wäre das eine Dummheit gewesen. Es ging aber auch so nicht länger, man kann nicht auf 2 Hochzeiten tanzen und unsere GmbH fordert mir alles ab zur Zeit, das Ganze stabilisiert sich nach und nach, Aufträge sind da, nur sind wir alle noch in der Lernphase, das fordert einen voll. Falls Ihr mich oder uns mal dringend erreichen müßt: die Telefon-Nr. ist Radebeul (Vorwahl Dresden) [Telefonnummer], Karte anbei. In Chemnitz ist unsere Zweigstelle, aber eben noch ohne Telefon. leider. Seit einigen Tagen kämpfen Irmhild und ich mit unserem Computer, den wir mal als großen Helfer im Geschäft einbauen wollen. Irmhild hat ja schon einige Lehrgänge dazu absolviert, für mich ist alles noch Neuland. Möglicherweise gibt es für Irmhild bald wieder Arbeit auf dem Liegenschaftsamt in Chemnitz, mal sehen, wie die Entscheidung fällt. – Der ganze Osten ist derzeit arg in der Klemme, 18% Arbeitslose. In Wirklichkeit sind es weit mehr, denn die Kurzarbeiter sind im Prinzip in der gleichen Situation. Daß mit den alten Betrieben nicht so weitergewirtschaftet werden kann, ist klar, aber woher sollen Investoren kommen, wenn die Grund- u. Bodenverhältnisse nicht geklärt werden? Überall sitzen noch die alten roten Bonzen und streuen Sand ins Getriebe, vor allem auch in der Treuhand. Wir denken, dieses Jahr kommt die „heiße Phase“ erst richtig auf uns zu. Trotzdem, überall sind viele neue, gute Veränderungen zu sehen, wir sind froh und dankbar, daß wir’s noch erleben durften. – Liebe Sonny und lieber Rolf, bei aller Arbeit und allem Streß – wir vergeßen Euere Einladung nicht und werden uns auf jeden Fall dieses Jahr wiedersehen, daß muß einfach sein, es gibt so viel zu erzählen und auszutauschen, was man so detailliert gar nicht aufschreiben kann. Wir hoffen, daß es, trotz der schon eingetretenen kleinen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, Euch recht leidlich gut geht, wir haben auch so kleine „Steinschläge“ an der Gesundheit, aber – noch geht’s recht leidlich. Wir wollen versuchen, wieder öfter, wenn auch nur brieflich, in Kontakt zu kommen, ja? Für heute viele, ganz liebe Grüße Euch beiden Guten, von Irmhild und Eberhard

Philatelie, lieber Rolf, ist noch aktuell – wenn auch seit der Einheit eingeschränkt, Bundesrepublik u. DDR ist komplett! Anbei einige Urlaubsfotos für Euch –

 

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