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Brief (Transkript)

Familie K. aus Dornburg an Marianne B. nach West-Berlin am 30.01.1985

 

Dornburg, am 30. Januar 1985

Liebe Frau B.!

Vor mir liegen Ihre beiden Briefe von Mitte Dezember und Mitte Januar, in denen Sie über Ihren „Lieblingsplan“ berichten und „Luftschlösser“ gebaut haben.

Aber zunächst herzlichen Dank für Ihr liebes Gedenken und Ihre guten Wünsche. Auch hoffen wir gern, daß Ihnen der kalte Winter gut bekommen ist. Wir selbst hatten lange Zeit ringsumher eine zauberhafte Kulisse, die wir gern auch weiterhin genießen würden, wenn nicht das beschwerliche Heizen wäre. Ich hätte jedenfalls nichts mehr dagegen, wenn General Winter abträte und wir greifbar vom Frühling träumen könnten.

Apropos Träume, da wäre ich also schon bei Ihrem Generalthema. Liebe Frau B., Sie kennen Dornburg von seiner Sonnenseite. Stets waren es Kultur und Landschaft, die während Ihrer Besuche auf Sie gewirkt haben und in Ihnen ein gehobenes Dornburgbild entstehen ließen. Es fällt mir daher auch gar nicht leicht, Ihnen von der Verwirklichung Ihres Planes abzuraten.

Die hiesige Goethe-Geburtstagsfeier war von Anfang an als eine Huldigung an den „genius loci“ konzipiert und auf die Dornburger Bevölkerung ausgerichtet worden. Wir hatten weder die Absicht, die Weimarer Feier zu kopieren noch mit ihr in Wettbewerb zu treten. Ich gebe zu, wir hatten eine glückliche Hand und daher auch guten Zuspruch aus Jena und Weimar – und Berlin West.

Die Feier wird für den Teeplatz am Rokoko-Schloß geplant, was zur Folge hat, daß mit Rücksicht auf ungünstige Witterungsverhältnisse die Teilnehmerzahl der Kapazität der im Goethe-Schloß vorhandenen Räumlichkeiten angepaßt bleiben muß. 1984 waren die 100 Karten innerhalb zweier Tage verkauft worden und es gab bereits Mißstimmung darüber, daß viele Dornburger Bürger keine Karten erhalten konnten, weil sich das Goethe-Nationalmuseum Weimar ein größeres Kontingent reserviert hatte. Und wie das so geht, der Zuspruch wird immer größer, und ich befürchte, daß die neue Leitung der Situation nur Herr wird, wenn sie alle von auswärts kommenden Wünsche kurzerhand abblockt. Damit entfiele für Sie – sicher an einen größeren Freundes- und Gästekreis denkend –, jede Möglichkeit real zu planen.

Aber auch sonst gibt es gute Gründe, die gegen Ihr Vorhaben sprechen:
Ein Nachmittagskonzert in der Dornburger Kirche wird sich kaum verwirklichen lassen, denn zwei Veranstaltungen, nur durch wenige Stunden voneinander getrennt, wird in Dornburg so schnell niemand besuchen wollen. Die offiziellen Konzerte sind seit langem im Jahresprogramm ausgedruckt und ein ‚Liebhaberkonzert‘ würde erhebliche Kosten verursachen.

Zudem besteht in Dornburg mangels geeigneter Gastronomie gar keine Möglichkeit, eine Geburtstagsgesellschaft zu bewirten.

Schließlich ist die Dornburger Goethe-Feier schon seit langem für Sonnabend, den 24.August terminiert, weil der 31.8. für private Geselligkeit aus Anlaß der Schuleinführung der Erstklässler reserviert bleiben soll. Dieses familiäre Ereignis wird nämlich hierzulande wie eine kleine Hochzeit gefeiert.

Nun schreiben Sie, daß Ihnen WEIMAR nur aus der Literatur bekannt sei und Sie im Hotel Elephant wohl gern einmal nächtigen möchten. Sie wären sicher aller Mühen enthoben, wenn Sie die Weimarer Goethe-Geburtstagsfeier mit der Ihrigen verbinden würden und im Elephant eine angemessene Unterkunft mit allen gastronomischen Möglichkeiten zur Verfügung hätten. Bedenken Sie, Geburtstag in Goethes Garten am Frauenplan und in allen Räumen des Wohnhauses, dazu Kammermusik, Wein und Möglichkeiten zu einem Imbiß!
Ich glaube, daß dies ein Ausweg aus der Dornburger Misere sein könnte, wenn es schon „ein Wolfgang-Marianne-Fest“ werden soll. Die Goethe-Feiern finden am 28., 29. und 30. August 1985 statt. Ein Nachmittagsausflug nach Dornburg wäre ja immer noch eine Möglichkeit (40 Minuten/Auto).

Bis zum Wiedersehen in Leipzig am 19.März zur h-Moll-Messe recht herzliche Grüße an Sie und Ihren Mann,
Ihre K.s

 

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