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Brief (Transkript)

Therese H. aus West-Berlin an Annegret S. nach Ost-Berlin am 07.05.1973

 

Bln. d. 7.5.73

Meine liebe Anne!

Sicher denkst Du schon, ich hätte Dich total vergessen. Dem ist aber nicht so, bloß gibt es im Moment per Telefon einfach kein Durchkommen. 25 Leitungen sind geschaltet und alle mit Auflaufwähler, aber alle ständig besetzt. Da kann man verrückt werden, wenn man 50 mal hintereinander die 10 wählt und immer Besetzzeichen. Also gebe ich es auf und beiße in den sauren Apfel, Dir schriftlich über unsere Osterreise und sonstige Vorkommnisse zu berichten. Gleich vorweg, es war riesig schön in Leipzig, aber arg anstrengend. Wir sind also Karfreitag früh zeitig losgegondelt. Tobias war schon kurz nach 4 Uhr wach und wollte verreisen. An der Grenze mußten wir ob des Massenandrangs 3 Stunden Wartezeit in Kauf nehmen. Das half aber alles nichts, wir waren ja außerdem mit Essen, Trinken, Zigaretten und Spielzeug versorgt. Die Fahrt ging dann zügig, und so waren wir gegen 11 Uhr bei Günthers Bruder. Tobias und seine Cousinen waren glücklich. Meine Schwägerin konnte es nicht lassen und tischte uns ein großes Mittagsmahl auf. Da kann man ja auch nicht gleich wieder verschwinden, also wurde es Nachmittag, bevor wir bei S.‘ antanzten. Dort war die Freude auch riesengroß. Trotzdem haben wir uns losgerissen und sind auf einen Sprung zu L.s rüber gelaufen, in der weisen Voraussicht, daß dazu in den folgenden Tagen bestimmt keine Zeit mehr bleibt. Die haben sich wirklich ganz riesig gefreut. Zum Glück mußten sie in die Thomaskirche zur Johannes-Passion. Also war es wirklich, wie geplant, bloß ein Kurzbesuch. Über Irmgard haben sie mir mal ihr Herz ausgeschüttet. Ich muß sagen, ich war ziemlich schockiert. Was ich da zu hören bekam zeugte nicht gerade von christlicher Denkweise! So hat sie ihren Schwestern seit November 72 nicht mal mehr geschrieben. Auch das Verhalten des Mutterhauses ist einfach unglaublich. Doch das alles mal mündlich, es ist ein abendfüllendes Thema! Den Karfreitag Abend waren wir mit S.‘ zusammen. Sie haben 3 ganz reizende Töchter, richtig liebenswert. Gegen Mitternacht wollte die Jüngste plötzlich von Günther das Auto erklärt und gezeigt bekommen. Auch Peter ging mit nach draußen. Plötzlich fuhren die los und kamen erst ½ 2 Uhr zurück. Gelandet sind sie in Markkleeberg in der Kneipe. Dort war das Hallo natürlich riesengroß. Günther mußte fest versprechen, daß er am Sonnabend nochmals mit seiner „Alten“ dort auftaucht. Dem Sonnabend Vormittag verbrachten wir mit Behördenkram – Anmeldung, Geldwechsel etc. Alles war überfüllt und dauerte entsprechend lange. Über Mittag fuhren wir dann – mit paar 5 minütigen Stippvisiten bei alten Bekannten – zu Günthers Tante nach Zöbigker. Die hat sich auch sehr gefreut und gleichzeitig beklagt, daß wir so wenig Zeit hatten. Zum Kaffee waren wir bei Gärtnerei A. in Dölitz eingeladen. Die hatten das mit S.‘ schon ausgehandelt. Abends kamen dann noch andere Bekannte kurz zu S.‘, um uns mal zu sehen und zu begrüßen. Anschließend zogen wir dann in die Dorfkneipe. Es war so ’ne Art Heimatfest. Jeder wollte uns was zu trinken spendieren, oder für den nächsten Tag einladen. Es ging glatt über unsere Kraft und unsere Möglichkeiten. Am Ostersonntag Vormittag mußten wir nämlich zu einer jungen Verwandten von Günthers Verwandten. Das arme Mädchen – 17 Jahre – hat nämlich großes Pech gehabt, beide Eltern sind verhaftet, da sollten wir mal Erkundigungen einziehen. Anschließend sind wir nochmals kurz zu Günthers Bruder gefahren. Dann wieder raus zu Sch. wo wir schon zum Mittagessen erwartet wurden. Am Nachmittag ging es dann zu B.s, die uns auch nicht vor dem Abendbrot wieder wegließen. Völlig ausgepumpt hockten wir dann noch bissel bei Sch. rum. Anschließend fielen wir wie Steine ins Bett. Am 2. Feiertag welcher ja bei Euch nicht mehr als solcher begangen wird, wollten wir mal bissel in die Stadt, dann schön Essen gehen und nicht so spät in Richtung Heimat starten. – 8.5. Da wurde ich gestern unterbrochen, Tante Lotte aus der Chausseestraße kreuzte bei uns auf. Da ging natürlich die Erzählerei los, also blieb der Brief erstmal liegen. – Also unser Rückreisetag: Der Bummel durch die Stadt war ganz nett, zumal das Wetter prachtvoll war. Mit dem Mittagessen allerdings klappte es gar nicht, denn alles war überfüllt. Schließlich landeten wir im Astoria und hockten daselbst über 2 Stunden. Das Essen war gut aber lau. So fuhren wir also mit Verspätung los. Es ging auch ganz gut voran bis kurz nach Treuenbrietzen, dort übten wir uns dann in Geduld, d.h. wir standen und standen, dann ging es im Schritt bis nach Drewitz. So viel Autos auf einem Haufen habe ich noch nie gesehen. Die Abfertigung ging sehr zügig aber peinlich genau vonstatten. Völlig am Boden zerstört landeten wir gegen 20.30 wieder daheim. Tobias wollte wieder zurück nach Leipzig. „Ich liebe meinen Peter und meine Tina“, sagte er immer. – Also waren wir erholungsbedürftig! So sind wir am darauffolgenden Freitag in den Harz gefahren. Leider hatten wir kein Glück mit dem Wetter, dafür war aber unsere Ferienbehausung ganz große Klasse. Wohnzimmer, Schlafzimmer, Küche, Bad und Balkon. Dazu kam noch eine prima Schwimmhalle im Haus. Die haben wir reichlich besucht. Tobias fühlte sich pudelwohl dort. Gewandert sind wir aber auch fleißig. Am 30. April sind wir zurückgefahren, weil wir befürchteten, daß am 1. Mai ein ähnliches Gedränge auf der Autobahn sein könnte wie zu Ostern. Da am 1.5. ja wunderschönes Wetter war, verbrachten wir den Kampftag auf der Liegewiese im Tiergarten. Ja und seit gestern haben wir Besuch. Das wäre wohl so ziemlich alles, was ich zu berichten hätte. Der Brief ist ja auch lang genug, hoffentlich mußt Du kein Strafporto zahlen. – Wie war das gleich mit Deinem Urlaub? Wolltest Du im Mai noch fahren? – Laß nur bald mal was von Dir hören. Jetzt muß ich meine Familie beköstigen und anschließend verschwindet der Sohn im Bett, er ist sehr müde, weil er heute kein Mittagsschläfchen gemacht hat. Also liebe Anne – Gruß und Kuß
Deine Therese nebst Familie
Grüße bitte alle Familienmitglieder herzlich von uns.

 

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