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Brief (Transkript)

Therese H. aus West-Berlin an Annegret S. nach Ost-Berlin am 21.07.[1969]

 

21.7.[1969]

Meine liebe Anne!

Tausend Dank für Geburtstagsgrüße und Geschenk. Das Päckchen kam genau am 18.7. hier an. Den Brief fand ich schon am 17. abends bei unserer Ankunft vor. Inzwischen hast Du ja sicher meinen Urlaubsbericht erhalten. Du hast recht, es ist eine unglaubliche Schlamperei, daß ich niemals einen Zeitpunkt für meine schriftlichen Ergüße angebe. Jedenfalls haben wir 3 sehr schöne und ruhige Urlaubswochen gehabt. Auch der Rückflug war bestens und wir sind sogar 1½ Std. früher in Berlin gewesen als geplant. Natürlich kamen wir in der ersten Nacht nicht vor der Geburtstagsgratulation ins Bett. Am 18. war dann eine große „Ausgehe“ fällig. Aber da hatten wir uns wohl doch zuviel zugemutet. Günther jedenfalls machte fast schlapp, er hat irgendwie die Klimaumstellung nicht verkraftet. Ich war bloß sagenhaft müde, sonnabends im Geschäft war ich noch gar nicht recht einsatzfähig. Das Schlimme war, daß D.s Hauptfreundin am 19.7. Geburtstag hat. Also zogen wir auch noch zu dieser Feier. Glücklicherweise kam ja dann der Sonntag und wir konnten uns erholen. Allerdings war ja in jener Nacht die Mondlandung, aber die beschäftigte uns nicht in der Weise, daß wir auf unseren Schlaf verzichtet hätten. Ich will aber nicht verschweigen, daß Günther ab 5.30 Uhr das Geschehen auf dem Bildschirm verfolgte, während ich allerdings schön friedlich schlummerte. Bei diesen Ereignissen fallen mir immer wieder Schillers Worte aus dem Taucher ein – „doch der Mensch versuche die Götter nicht – und begehre nimmer und nimmer zu schauen, was sie gnädig bedecken mit Nacht und mit Grauen. …! – Ab heute habe ich einen Kostgänger, denn Frau G. ist heute mit Kerstin für 14 Tage nach Ulm geflogen – zur Oma! Da muss ich mich natürlich bissel um Fritzchen kümmern. Zur gleichen Zeit geht unsere Filialleiterin von Tempelhof in Urlaub, da übernimmt unsere neue Drogistin die Vertretung. Gottlob bin ich in diesem Jahr nicht dran. Also sind Fritz und ich in der Turmstr. ganz allein. Er ist natürlich glücklich, daß es so gut klappt. – Ach Anne, es ist doch zu traurig, daß diese Scheißmauer gebaut wurde! Wie schön könnte es sein, Du würdest oft bei uns sein, könntest bequem bei uns schlafen, essen, Haus hüten etc. Wir hatten uns das so schön gedacht! – Für heute wäre es das mal wieder alles, denn jetzt gibt es einen Krimi, den ich gern sehen möchte. Morgen mehr!
24.7. Man soll doch nie zuviel versprechen! Es war mir gestern und vorgestern einfach nicht möglich zu schreiben, denn wir waren dauernd außer Haus. Bei dieser Affenhitze muß man doch seine Freunde mit Pool besuchen! Heute ist es ja zwar noch etwas heißer, aber die Pflicht ruft. So mußte ich z.B. die kurzärmeligen Hemden meiner Männer waschen, denn davon haben sie nicht so viele, daß sie 14 Tage reichen. Außerdem mußte ich auch noch das Fresschen für morgen und sonnabends machen. Dafür haben wir heute im Geschäft gefaulenzt, nur hinten im Lager rumgehockt und eisgekühlte Getränke geschlürft. Kunden haben uns kaum gestört. Also meine liebe Anne nochmals herzlichsten Dank. Wenn die Fotos was geworden sind, schicke ich Dir paar. Für heute viele viele liebe Grüße
Deine Therese

 

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