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Brief (Transkript)

Familie K. aus Dresden an Familie M. nach Aachen am 25.06.1982

 

Dresden, 25.6.82

Liebe Elisabeth,
mit Karl-Heinz, Georg und Rodena!

Seit dem 10.6. – also schon wieder 2 Wochen – ist Dein lieber Brief vom 27.5. in unserem Besitz. Sei ganz herzlich bedankt für Dein liebes, ausführliches Erzählen, das uns immer sehr erfreut. Sei aber auch bitte nicht böse, daß bisher noch kein Antwortbrief zustande kam. Erstens fühle ich mich noch gar nicht besonders gut – täglich einige Stunden leichte Schmerzen, - und zweitens war die ganze Zeit durch das Ausräumen von Peters Zimmer in der ganzen Wohnung viel Kurmel schließlich drittens Anfang dieser Woche besonders große Wäsche. Das alles zusammen machte es mir unmöglich, mich für einen Brief zu konzentrieren. Aber auch Georg möchte Peter sein langes Schweigen nicht verübeln. Er nimmt mir noch immer viel meiner sonstigen Einkaufswege ab und dazu Zimmer wieder einrichten, manches reparieren, dazu waren (außer der Berufsarbeit!) jeden Tag einige Stunden Arbeit nötig. Nur ein Beispiel für die hiesigen Beschaffungs-Schwierigkeiten: Für den Balkon brauchen wir ein paar mtr. Markisen-Stoff. Zuerst hat Peter in der Stadt die 3-4 einschlägigen Geschäfte abgeklappert, dann das Telefonbuch gewälzt, alles herausgeschrieben und etwa 15 Firmen in und um Dresden angerufen (da wir ja nicht selbst glückliche Telefonbesitzer sind, nicht immer ganz einfach!), Resultat: Überall die gleiche Antwort – zur Zeit nichts vorrätig, fragen sie in 4-6 Wochen wieder nach, also wenn der Sommer vorbei ist. Wie gut haben es da doch die „armen Westdeutschen“!
Doch nun zu meinem Konzert-Röntgen-Tag: Erstens erhielten wir von Bekannten eine Karte, so daß zu meiner Freude Peter mitgehen konnte, es klappte auch mit seiner Arbeitszeit. Das Konzert war ganz herrlich, hat uns beiden gleich gut gefallen, ein Programm findet Ihr beiliegend. Anschließend konnte ich mich bei meiner Kollegin, Fr. H. 1½ Std. ausruhen und eine Mahlzeit aus Zwieback und Kamillentee genießen!! Pünktlich 16.00 kam ich dann mit dem Ultraschall-Röntgen dran, das in keiner Weise anstrengend war oder aufregend ist, nur bei mir reichlich doppelt so lange dauerte, wie bei den Patienten vor mir. Der Grund des langen Suchens: „Sie haben keine Galle!“ Zumindest ist sie nicht auffindbar, und ich bin nun, laut Ausspruch einer Ärztin ein medizinisches Wunder! Auf Anraten der 2 Röntgenschwestern, die übrigens einen sehr vertrauenerweckenden Eindruck auf mich machten, soll das Röntgen in ¼ Jahr wiederholt werden. Auch meine Fr. Dr. L. von unserer Stadtambulanz ist dafür und wird es beantragen. Um Deine Frage zu beantworten, liebe Elisabeth, warum dieses Ultrasch.-Rö. nicht während des Krankenhaus-Aufenthaltes gemacht worden ist, hat folgenden Grund: Von den dazu erforderlichen Apparaten, die bestimmt nicht billig sind, existieren für Stadt und Kreis Dresden nur 2 Stück, und daraus ergeben sich für jeden Patienten 12-15 Wochen Wartezeit. Bei mir hat es von der Anmeldung an 13 Wochen gedauert.
Da fällt mir gleich noch eine andere Frage von Dir ein, die ich beantworten möchte: Warum es in unseren Delicat-Läden plötzlich keinen französischen Käse mehr gibt? Sehr einfach, weil die raren Devisen für Wichtigeres gebraucht werden. Da muß der Durchschnitts-DDR-Bürger von seinen „gehobenen“ Ansprüchen wieder einen Pflock zurückstecken.
Von einem diesjährigen Wunder bei unserer sonst nach wie vor mangelhaften Versorgung mit Gemüse u. Obst muß ich berichten: Seit Ende Mai habe ich in unseren nächstliegenden Geschäften ohne Anstellen dreimal 1 kg herrlichsten Spargel bekommen. Und für Erdbeeren hat Peter zum Glück einen Bekannten mit Plantage, bei dem er mehrmals ein 5 [Pfund] Körbchen abholen kann.
Du meinst, ich müßte mich nach 20 [Pfund] Gewichtsabnahme wie ein junges Mädchen fühlen, infolge dauernder Müdigkeit leider gar nicht und im Gesicht wie ein sehr altes Mädchen. Doch mein weißes Röckchen paßt mir jetzt tadellos. Aber Emmy W. in Lüdenscheid schrieb gleich. „Wenn Du so schlank geworden bist, kann ich Dir doch meine Sachen schicken, die mir zu eng sind.“ Und tatsächlich kam gestern schon ein Paket mit nur 3 Kleidern, 5 Blusen und 2 Nachthemden und nach Anprobe ist nichts zu eng, nichts zu weit, alles paßt großartig. Du kennst ja schon ein paar Kleider, die von Lüd. stammen, die jetzigen Sachen sind wieder von gleicher Qualität.
Aus Köln erhielten wir von Hilde zweimal eine kurze Briefkarte, von Gisela nichts Schriftliches, dafür heute ein Paket mit allerhand für uns sehr nützlichen Sachen (sie hat dafür ein gutes Gedächtnis) und auf der Adresse nur der Vermerk: Weiteres Päckchen folgt. Anfang April erhielten wir mal von Magda F., die Ihr vielleicht auch mal kennen gelernt habt, einen Brief. Sie kommt ja immer mit Gisela nach Dresden, und sie schrieb, daß es dieses Jahr im Frühjahr gar nicht klappt, weil Gerd sehr zeitig Urlaub nehmen müsse, ob es uns evtl. auch in ihren Herbstferien, erste Hälfte Oktober, passen würde. Daraus schließe ich, daß S.’ vielleicht jetzt schon verreist sind.
Daß Rodena noch immer so tüchtig in der Schule ist, freut uns sehr. Ich bin überzeugt, daß sie bei ihrer Begabung und ihrem Fleiß auch im Gymnasium zu den Besten gehören wird. Daß Eurem Georg eine so schöne Ferienreise mit gleichaltrigen bevorsteht, hat uns ebenso erfreut, wir wünschen ihm heute schon gute Erholung und viel Freude. Und Ihr drei anderen werdet sicher auch noch etwas Schönes für die Ferien finden, doch sicher nicht nur Arbeit. Womit wollt Ihr denn Eure Hausrückfront verkleiden?
Vom Karlspreis an den spanischen König haben wir hier kurz in der Zeitung gelesen, selbstverständlich hat uns der Artikel in Eurer Zeitung interessiert. Dagegen muß ich gestehen, daß mir der Name Ida Ehre gar nichts sagt. Wir wissen eben sehr wenig vom westdeutschen Kunstgeschehen!
Das Pfingstwetter war ja wirklich herrlich, da hattet Ihr sicher eine schöne Autofahrt nach Stromberg. Eure Beiden durften sich wohl an dem Tag zu Hause die Zeit nach ihrem Geschmack vertreiben? Wir waren allerdings froh, als die lange Hitzeperiode endlich aufhörte, wir haben alle drei darunter gelitten, weil unsere Wohnung ringsum Sonne bekommt, dazu unter dem Boden und somit sehr warm ist.
Aber jetzt streikt meine rechte Hand. Ich schicke den Brief wieder als Eilpost, damit er nicht 14 Tage unterwegs ist!
Bleibt Ihr Vier alle recht schön gesund und seid ganz herzlich gegrüßt von
Eurer Tante Hanni,
Onkel Martin
und Peter.

 

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