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Brief (Transkript)

Familie M. aus Aachen an Familie K. nach Dresden am 02.12.1980

 

2. Dez. 1980

Liebe Tante Hanni, Onkel Martin und Peter!

Einen herzlichen Adventgruß aus dem verschneiten Niederforstbuch! Sicher habt auch Ihr mit den Tücken des winterlichen Wetter’s zu kämpfen, und nicht nur damit!? Karl-Heinz muß jeden Morgen das Auto freimachen, denn die Zufahrt zu unserer gemieteten Garage ist immer noch nicht zu benutzen. Im Büro gibt es für K.H. auch einigen Trubel mit Personalwechsel, und der Computer tut sehr oft nicht das, was er tun soll. Ansonsten geht es uns aber gut. Rodena hat 3 verschiedene Adventskalender, einen konventionellen mit Türchen zum Öffnen, einen mit Schokoladenfiguren in den Türchen und den schönsten mit je einer Geschichte und einem Bild zum Ausschneiden für jeden Tag. Das Bild wird auf einen großen Bogen geklebt, auf dem ein Weihnachtsmarkt skizziert ist. Nachmittags sitzen wir zwei weiblichen M.s oft zusammen auf der Couch und sticken. Rodena stickt einen Pudelkopf im Gobelin-Stich für die Oma, und ich mache eine Mitteldecke mit Blumensträußchen für meine Tante Käthe. Gebacken habe ich noch nicht viel, aber wir wollen auch nicht mehr so viele Sorten Kekse naschen. Aachener Printen essen wir auch sehr gerne.
Das Weihnachtspaket für Euch wurde gestern abgeschickt. Hoffentlich kommt es bald und gut bei „unseren Dresdnern“ an. Das spezielle Printengwürz gab es im Kaufhof nicht, ich hoffe der beigelegte „Ersatz“ schmeckt Onkel Martin genauso gut. An Printen habe ich Euch eine typische Form und (für die Zähne besser) mal eine Probe Weichprinten beigelegt. Das lose Filterpapier und der Behälter (leider ohne Deckel, aber praktisch) stammt noch von uns. Ich habe ja in der Maschine keine Papierfilter mehr nötig. Mit den gedrehten Kerzen hatte ich etwas Schwierigkeiten. Es gibt hier ja alle möglichen Christbaumkerzen in allen Farben (von schwarz über lila bis zu gold + silberfarbenen) aber gedrehte scheinen z.Zt. nicht „in“ zu sein. Schließlich fand ich aber doch welche und hoffe, daß sie richtig sind. So, mehr wird aber nicht verraten!
Wir wollen doch hoffen, daß Du, liebe Tante Hanni Deine hartnäckige Bronchitis bald überwunden hast. Um diese Jahreszeit hat man an so etwas manchmal lange zu „knabbern“, wie man bei uns sagt. – Georg wurde neulich geröntgt. Er hatte oft Rückenschmerzen. Er hat eine leichte Wirbelsäulenverkrümmung. Er ist ja so schnell gewachsen und schleppt immer diese schwere Schultasche. Kein Wunder, also.
Meiner Mutter geht es ganz prima, nur das Gedächtnis läßt ziemlich nach.
Mächtig überrascht waren wir, als wir am 20. Nov. einen Einschreibebrief aus Oberweißbach bekamen. Onkel Carl schrieb, daß sie ab 19. Nov. bei der Witwe eines ehemaligen Kriegskameraden von Onkel Carl zu Besuch wären (für ca 8 Tage). Es wäre schön, wenn wir sie dort besuchen würden. Es kam für diese Fahrt für uns nur der Sonntag der 23. Nov. in Frage. Ausgerechnet hatten wir am Sonnabend einen Ball, den wir 1x jährlich mit unseren Bekannten besuchen. So tanzten wir also bis 1.30 Uhr, lagen um 2 Uhr im Bett, standen um 9 Uhr auf und starteten um 10.00 Uhr nach Gießen/Lahn. Um Punkt 12 Uhr waren wir an Ort und Stelle, wo uns Onkel Carl, auf seinen Stock gestützt, hocherfreut begrüßte. Es geht ihm nicht besonders gut. Er ist auch ziemlich deprimiert und meinte er würde uns wohl nicht noch einmal wiedersehen. Tante Lisbeth ist ganz „verschrumpelt“, (verhutzelt) aber sonst war sie recht munter und rege. Die Frau des Kriegskameraden wurde an diesem Sonntag grade 78 Jahre alt. Sie lebt mit ihrer ca 50 Jahre alten Tochter in einem schönen Eigenheim. Mittags gingen wir mit Onkel + Tante in’s Restaurant essen, nachmittags wurden wir bei den Leuten zum Kaffee eingeladen. Karl-Heinz frischte mit den beiden viele alte Erinnerungen auf. Manches Klagelied wurde über die DDR gesungen, das kennt Ihr ja. Mit der kleinen Rente und dem alten Haus, für das es kaum Handwerker gibt, sind die beiden Oberweißbacher wirklich nicht zu beneiden. Wir können da auch nicht helfen. Die beiden haben noch Kaninchen und Rassehühner. Früher haben wir immer gesagt, sie sollen doch erst mal die Tiere abschaffen. Inzwischen haben wir begriffen, daß grade diese Tiere, an denen sie Freude haben und die sie mit Mühe, aber auch Freude betreuen, ihnen Lebensinhalt und Aufgabe sind. Onkel Carl weinte, als wir uns um 18.00 Uhr verabschiedeten. Zum Glück war an diesem Wochenende herrlich mildes, trockenes Wetter. Wir hoffen, daß die beiden wieder gut in der Heimat angekommen sind. Wir hatten ja immer angenommen, daß sie zu einer Reise nicht mehr fähig sind, sonst hätten wir sie auch noch einmal nach hier eingeladen. In Gießen gab es übrigens als Begrüßungsgeld bei der Verwaltung „nur“ 30.- DM.
Habt Ihr noch einmal etwas von Gisela gehört? Wir nicht! Ich habe jetzt aber auch ein wenig Hemmungen anzurufen, weil ich doch „Bescheid weiß“ und nicht gerne so tue, als wüßte ich von nichts. Hoffentlich geht alles gut mit Gisela.
Hat Euer Peter den Super-Brief von Georg bekommen, oder ist dieser vielleicht „auf der Strecke“ geblieben?
Neulich sah ich mit Rodena im Fernsehen nachmittags eine Kindersendung über Dresden und die sächs. Schweiz. Wir sahen das Dresdner Brückenmännchen (von dem KH nie gehört hatte!) welches im Film lebendig wurde und durch die Stadt führte. Es war eine sehr interessante, gut gemachte Sendung.
Auf unserem Marktplatz vor dem Aachener Rathaus ist wieder ein bunter Weihnachtsmarkt aufgebaut. Es gibt u.a. auch einen großen Stand mit erzgebirgischen Holzsachen, die bei Euch ja leider Mangelware sind. Liebe Tante Hanni, sei nicht traurig, daß Du das Buch von H. Laube für mich nicht bekommen hast. Ich werde es mir gelegentlich mal hier besorgen, oder zum Geburtstag schenken lassen. Ich danke Dir für Deine Mühe.

Euch dreien wünschen wir eine schöne, gesunde Adventszeit
und grüßen Euch recht herzlich
Eure Elisabeth, Karl-Heinz
Georg und Rodena.

 

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