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Brief (Transkript)

Volker W. aus Weimar an Walter V. nach Köln am 15.05.1985

 

[Straße und Hausnummer]
Dr. phil. VOLKER W. DDR 53 Weimar, 15. Mai 1985
[Telefonnummer]


Lieber Walter,

Deine Sendung mit dem Manuskript der Dokumentation kam gestern hier an, besten Dank. Ich verstehe Deine Ungeduld und Deine akribischen Bemühungen um den neuen Baargeld-Gedichtband aus New York. Die Gedichte gehören natürlich in Dein neues Baargeld-Buch. Doch sie sind nicht zu beschaffen. Aber der Verleger drängt, und Du selbst möchtest das Manuskript abschließen. Die Zeit wird zum Erpresser.
Wenn ich mir jetzt Deine Dokumentation ansehe, komme ich ins Grübeln. Der Seriosität der Anzeige bei Ex Libris und die erläuternde Beschreibung von W. in seinem ersten Brief bringen mich trotz bisheriger Überlegungen auf den Gedanken, daß dieses Opuskulum doch existiert. Eine offenkundige Tatsache ist, daß dieser Titel bibliographisch nicht nachzuweisen ist. Also ist der Gedichtband sicher kein Verlagsobjekt gewesen. Handelt es sich möglicherweise um eine Art „Layout“ für ein beabsichtigtes und dann nicht ausgeführtes Buchprojekt des Schloemilch-Verlages Köln ? Dann wäre es ein Unikat. Das wäre es wohl auch, wenn es sich um ein zwar gedrucktes, aber doch nur in einem Exemplar aufgelegtes Buch handelt. Wir haben bisher nur ein tatsächlich verlegtes Büchlein, egal mit welcher Auflagenhöhe, im Auge gehabt. Aber kann dieser Gedichtband nicht so hergerichtet (auch mit dem bereits gedruckten, vielleicht aber von einem anderen Buch genommenen Impressum) und montiert sein, daß er heute wie ein rares Verlagserzeugnis aussieht ? Jede Seite des Bandes kann gedruckt sein, und trotzdem muß er nicht aus einem Buchverlag kommen.
Eine andere Frage (ich gehe immer noch davon aus, daß die Angaben von Ex Libris stimmen): es war Baargelds Dedikationsexemplar für Julius Evola. Was weißt Du über die Verbindung zwischen Ihnen? Gibt es einen Nachlaß von Evola, in dem sich etwas darüber findet ? Hat Ex Libris noch mehr von Evola angeboten ? Wer war(en) der/die Vorbesitzer dieses Gedichtbandes ?
Auch wenn Du am Ende recht behalten solltest, daß es sich bei „Dilettanten W x 3“ um ein „dadaistisches Machwerk“ handelt: ein Dilettant war/ist sein Erfinder nicht.
In diesem Sinne meine Antwort auf Deine Frage, ob ich mit der Verwendung unseres Briefwechsels in der Dokumentation einverstanden bin. Ich habe nichts zurückzunehmen, denn ich bin weiterhin der Meinung, daß dieser Titel als Verlagsobjekt eine Fiktion ist. Aber wenn nun Baargeld der Verfasser, Drucker und Verleger selbst war und die Auflagenhöhe 1 betrug ? Das Ende ist noch nicht in Sicht. Dada joke oder Dada-Joker, lieber Walter ? Ich weiß es auch nicht. Damit habe ich Dir den Schwarzen Peter (nicht den Joker) wieder zugeschoben. Die Sache hat so oder so ein Nachspiel.
Noch etwas, aber das ist schon fast Sophistik. Das Schweigen von W. und B. (bei letzterem mag es andere Gründe geben)+ deutest Du als Rückzug. Nun heißt es aber auch: Qui tacet consentire videtur. Wer schweigt, von dem wird angenommen, daß er zustimmt.

+ Eine kurze Dokumentation meines Briefwechsels mit Lothar G. (Hilchenbach)

G. an W., 2.8.1984
„B. bereitet einen neuen Katalog vor, den er ganz Kirchner widmen und mit seiner eigenen Sammlung füllen will. Er wird im nächsten Jahr siebzig Jahre alt, und da scheint es ihm angebracht, seine Sammlung zu verkaufen, um Schwierigkeiten bei der Erbauseinandersetzung zwischen seinen drei Kindern und seiner Frau zu verhüten. Da seine Sammlung aus Objekten, Büchern und kleinen Zeichnungen besteht, gibt es niemanden als ihn selbst, der sie schätzen und angemessen verteilen könnte. In seiner Sammlung befindet sich auch die Einladung zur Eröffnung der ersten Kirchnerausstellung in Jena und zu dem einleitenden Vortrag von Botho Graef.“

W. an G., 20.8.1984
„Wenn sich einmal die Gelegenheit ergibt, könnten Sie Herrn B. übermitteln, daß ich an dem Kirchner-Katalog interessiert bin. Er schickte mir zuletzt die Nr. 9 von 1983 (seiner Kataloge) und denkt vielleicht auch bei Kirchner an mich, aber wir haben zuletzt vor fast zwei Jahren Briefe gewechselt, so dass er mein Interesse längst vergessen haben kann.“

G. an W., 23.12.1984
„B.s Kirchner-Katalog, der im Herbst hätte erscheinen sollen, verzögert sich. da B. inzwischen von einer anderen Arbeit in Anspruch genommen wurde.“

Zitat V. an B., 21.2.1985: „Sind Sie vielleicht der Verleger des geplanten Reprints von „Dilettanten W 3“?“ Antwort: s.o.

Ich laß Dich jetzt allein, der Bogen ist zu Ende, herzlichst Volker



II

Dr. phil. VOLKER W. 53 Weimar,
[Straße und Hausnummer]
[Telefonnummer]


Lieber Walter,

ich habe den Brief nochmals geöffnet, nachdem ich mir den Max Ernst-Katalog von 1980 mit dem Reprint der = Schammade = und zuvor B.s Katalog 9 (1983), wo unter 1172 ein Exemplar davon angeboten wurde, angesehen habe. Folgende Überlegung: Baargeld war Mitherausgeber der „Schammade“. Er hat von mehr Gedichten, als später im Druck berücksichtigt wurden, den Satz herstellen lassen.+ Vom Satz wurden wenige Bürstenabzüge hergestellt. Als feststand, was für die „Schammade“ übernommen wird, wurde der übrige Satz wieder eingeschmolzen. Baargeld montierte aus den verschiedenen Abzügen das Exemplar eines „Gedichtbandes“, das dann später irgendwie in die Hände von Evola geriet. Baargeld hatte wohl gute Beziehungen zum Drucker Max Hertz (Auf der Suche…, S. 36). Das noch einmal als spontane Überlegungen zum Thema „Dilettanten W 3“.
Volker

+ Das kann durchaus ohne Wissen
des anderen Mitherausgebers
Max Ernst geschehen sein.

 

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