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Brief (Transkript)

Angelika W. aus Venusberg an Gerlinde B. nach Bechhofen am 06.05.1979

 

Venusberg, am 6.Mai 79

Hallo, liebe Gerlinde!

Nach langer Schreibpause möchte ich nun endlich wieder einmal etwas von mir hören lassen. Doch ganz zuerst vielen Dank für Deinen lieben Brief über den ich mich sehr gefreut habe. Den Brief von den Kindern habe ich meiner Großcousine gegeben. Sie hält manches Mal Sonntagsschule und gerade am kommenden Sonntag ist sie wieder dran. Da wird sie ihn mit den Kindern beantworten und ich schicke ihn Dir dann so schnell wie möglich zu. Hoffentlich ist es den Schreibern dieses Briefes noch nicht zulange geworden, denn dadurch, daß ich nicht jedes Wochenende zu Hause bin, hat es doch recht lange gedauert bis er an den Mann kam.
Seit dem 21. April bin ich nun glücklicherweise wieder daheim. Die ersten Tage konnte ich es überhaupt noch nicht richtig fassen. Fünf Wochen sind schon eine lange Zeit, wenn man sozusagen eingesperrt ist und nur am Wochenende einige Stunden heraus darf und auch da einen gewissen Standortbereich nicht verlassen darf. Du glaubst nicht, was das dort für eine öde und trostlose Gegend ist; überhaupt kein Wald. Das bin ich ja ganz und garnicht gewöhnt. Früh 6.00 Uhr war Wecken, Morgensport, Waschen, Frühstück und dann vier Stunden Ausbildung. Dann Mittagessen und am Abend nochmals vier Stunden Ausbildung. 6.00 Uhr abends war dann Abendbrot und danach bis 22.00 Uhr Freizeit. Da durften wir dann den Trainingsanzug anziehen. Ansonsten mußten wir die ganze Zeit in Uniform herumrennen. Die war riesig groß und auch die Stiefel waren so daß ich bald darin umkehren konnte. Ostern war wunderbares Wetter und da hat es mich schon ganz schön herumgerissen. Ich war froh, daß ich am Sonntagnachmittag Ausgang hatte und mein Freund hinkam. So haben wir den Nachmittag in Leipzig verbracht und es war doch nicht ganz so schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte.
Ich freue mich sehr, daß Du in Deinem bisherigen Geschäft bleiben kannst. Bettwäsche und Gardinen verkaufen stelle ich mir eigentlich ganz hübsch vor. Wie Du schreibst, scheint das Geschäft ganz schön groß zu sein. Was kann man da eigentlich alles kaufen? Wie ist das eigentlich, wenn Du in Deinem alten Geschäft nicht hättest bleiben können, hättest Du dann Chancen gehabt, woanders eine Stelle zu bekommen oder wäre das sehr schwierig gewesen? Bei uns in der Zeitung klingt das nämlich so, daß man bei Euch schon ganz schwer eine Lehrstelle bekommt und dann nur ausgenutzt wird und arbeitslos ist bzw. in einem ganz anderen Beruf arbeiten muß. Schreib mir doch mal was dazu. Bei uns ist es so, daß zwar jeder eine Lehrstelle erhält, da bei uns Arbeitskräftemangel ist, aber man muß eben nehmen, was gerade da ist und nur selten kann man den Beruf lernen, der einem Spaß machen würde.
Bei uns ist zur Zeit sehr schlechtes Wetter, daß man kaum daran glauben kann, daß Frühling ist. Meist sind es nur knapp über Null Grad. Dabei hatte ich mich über Ostern schon etwas gebräunt. (Karfreitag und Sonnabend hatten wir nur bis Mittag Ausbildung). Hoffentlich klappt es bei Dir, daß Du dieses Mal an der Jahresendfreizeit teilnehmen kannst. (Entschuldige bitte, aber die Mine ist gerade zu Ende.) Ich bin immer sehr gerne gefahren. Am 26. Mai ist die diesjährige Konferenz unserer Kirche in Leipzig. Wenn schönes Wetter ist, wollen Dieter und ich auch mit dem Motorrad hinfahren. Hoffentlich wird es bald etwas wärmer.
Wir reden gerade wieder einmal davon, daß es sehr schön wäre, wenn wir uns auch einmal persönlich kennenlernen würden. Da Deine Eltern Dich allein nicht gerne fahren lassen, könntest Du auch sehr gerne Deinen Bruder mitbringen. Überlegt es Euch doch noch einmal; und wenn es auch nur ein paar Tage sind. Wir lange hast Du eigentlich Urlaub? Ich habe vom 6. August bis 10. September. Davon bin ich vom 6. – 19. August an der Ostsee zelten. Am besten würde es mit einem Besuch natürlich im Sommer klappen oder wenn ich einige freie Tage habe z.B. über Weihnachten, Neujahr, Ostern, Pfingsten usw. Wenn auch nicht in diesem, so findet Ihr im nächsten Jahr vielleicht doch eine Möglichkeit, uns mal zu besuchen. Für heute möchte ich nun schließen, denn in einer Stunde ist es schon wieder so weit, daß ich gehen muß und meine Tasche ist leider auch noch nicht gepackt.
Es grüßt Dich und Deine Angehörigen ganz lieb

Deine Angelika.

Viele liebe Grüße auch von meinen Eltern und Dieter. Ich höre mir gerade Orgelmusik von Bach an und da fällt mir ein, daß ich noch Karten mit Silbermannorgeln dahabe. Die suche ich jetzt gleich und schicke sie Dir mit.



 

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