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Brief (Transkript)

Angelika W. aus Freiberg an Gerlinde B. nach Bechhofen am 02.05.1978

 

Freiberg, am 2. Mai 78

Liebe Gerlinde!

Heute komme ich nun endlich dazu, mich ganz herzlich bei Dir für Deinen lieben Brief zu bedanken. Bettina sagt auch Dank für die Blumenbriefmarken. Die Ansichtskarte von Ansbach habe ich ebenfalls erhalten. Habe auch dafür vielen Dank.
Nun möchte ich Dir aber noch einiges wegen dem Besuchen schreiben. Ich glaube, daß Du Dir davon noch nicht die richtigen Vorstellungen machst. Zuerst muß ich Dir schreiben, daß ich Dich leider nie besuchen kann, weil ich Staatsbürger der DDR bin. Das bedeutet, daß ich zwar in sozialistische Ausland (SU, Polen, ČSSR usw.) reisen kann, aber nicht zu Dir oder in ein anderes Land. Bekannte oder Verwandte in diesen Ländern kann ich also erst besuchen, wenn ich Rente bekomme, das heißt, wenn ich 60 Jahre alt bin. Wenn wir uns vorher also einmal kennenlernen wollen, mußt Du mich besuchen bzw. wir können uns auch in der ČSSR treffen, aber da kannst Du dann auch zu mir kommen.
Gestern waren bei uns überall Demonstrationen anlässlich des 1. Maies und ich bin auch früh hierher gefahren. Nach der Demonstration war ich in der Mensa Mittag essen und danach bin ich nach Dresden gefahren. Dort habe ich mich mit einer Brieffreundin getroffen. Wir hatten uns vor drei Jahren im Urlaub kennengelernt und seitdem schreiben wir uns. Leider meinte es das Wetter nicht allzu gut mit uns. Wir wollten uns im Zwinger gern eine Porzellanausstellung anschauen, aber die war wegen Bauarbeiten geschlossen. Gut dachten wir, dann schauen wir uns eben das „Grüne Gewölbe“ an. Dort sind Schmucksachen usw. aufbewahrt. Aber auch da war zu. So sind wir auf den Rathausturm hochgefahren (98m) und haben uns von dort die Stadt angeschaut. Schade war nur, daß man durch das diesige Wetter nicht weit blicken konnte. Am Nachmittag begann es dann sogar noch zu regnen. Aber da sind wir zu meiner Freundin ins Internat gefahren. Mich hat es interessiert, wie bei ihnen die Zimmer eingerichtet sind usw. Sie wohnt in einer wunderschönen Gegend am Stadtrand in einem Villenviertel von vielen Gärten umgeben. Die ganzen Bäume blühten und ich war ganz begeistert davon. Die Fachschule für Binnenhandel, wo sie studiert, ist auch eine alte Villa. Allerdings wohnen sie in Baracken, aber ich fand, daß die schöne Umgebung vieles wieder wett macht.
Sonst geht bei mir alles seinen alten Gang. Am Donnerstag fahre ich mit der Seminargruppe zu einem Kommilitonen in die Nähe von Karl-Marx-Stadt zum Polterabend. Er heiratet am Sonnabend und wir sind für den Polterabend alle eingeladen. Von da aus fahre ich dann gleich nach Hause, denn das Seminar vom Freitag haben wir verlegt und die Vorlesung, die wir noch hätten, lassen wir in dieser Woche einmal wegfallen. Aber zu lange wird das Wochenende trotzdem nicht, denn ich muß am Sonntag schon wieder her fahren, da wir Montag eine Klausur schreiben.
Für heute soll es nun erst einmal genügen. Es grüßt Dich und Deine Angehörigen recht lieb
Deine Angelika.

 

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