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Brief (Transkript)

Christa G. aus Dresden an Gerda Z. nach Karlsruhe am 24.06.1987

 

Dresden, den 24.6.87

Sehr liebe Frau Z.!
Ich muß sehr um Entschuldigung bitten, daß ich so lange gewartet habe mit der Antwort auf Ihren so lieben Brief. Ich hatte die Handwerker im Haus und das erfordert immer meine ganzen Kräfte. Ich schrieb zuletzt am 10.5., da müssen sich unsere Briefe wohl gekreuzt haben. Sie haben inzwischen den Verlust Ihres Herrn Vaters erleben müssen, das ist ein herber Einschnitt. Vor allem für Ihre Frau Mutter wird es sehr schwer sein, sich damit abzufinden. Hoffentlich wird Ihnen allen die Kraft, alles zu überwinden. Meist kommen die Schwierigkeiten erst länger danach! Daß Sisko früher als gewöhnlich konfirmiert wurde, wußten wir ja, aber daß Hilke nun auch schon soweit ist, ahnte ich nicht. Sie haben in Griechenland viel Schönes erlebt, ich habe mir die Orte auf dem Atlas gesucht. Es muß ein wunderbares Erlebnis sein, so die alten Zeigen des Griechentums zu sehen. Was man hier als Griechen erlebt, sind meist sehr kleine, dunkelhaarige, korpulente Menschen. Schade, daß Sisko enttäuscht ist von Prag, ich fand es immer wunderschön. Anne und ich haben es uns gemeinsam „erobert“, die einzigen Fahrten, die wir miteinander machten. D.h. in Stuttgart und D. waren wir ja auch zusammen. So große Erlebnisse kann ich nicht berichten, aber es geht recht lebhaft bei mir zu. Unsern alten Doktor, der heute 86 Jahre alt wird, habe ich fast täglich zu Gast und der Verkehr mit Nachbars hat sich ganz schön erweitert. Die „Oma Ü.“ ist ja immer da und mindestens 3x in der Woche kommen vor- oder nachmittags die beiden Buben zum Spielen. Das 10 Monate alte Schwesterchen wird behütet, wenn die Eltern mit den Jungen ausgehen oder eine Radtour machen wollen. Im Rahmen der Musikfestspiele hatten wir viele schöne Konzerte und Konzertante Aufführungen, es standen diesmal vorwiegend alte italienische Werke auf dem Programm. 14 Tage war meine Freundin aus Marienhöhe bei Bad Saarow, dem biol.-dyn. Hof bei mir. Sie ist stark gehbehindert, aber ein unglaublich positiver, fröhlicher und lebhafter Mensch. Sie hat nach der winterlichen Einsamkeit auf dem Hof das Leben in Dresden mit Theater, Konzerten, Schifffahrten etc. sehr genossen. Sie kann weder in Eisen- noch Straßenbahn mehr einsteigen, sodaß ich sie mit dem Auto eines guten Freundes holen und wieder heimbringen ließ. Für mich war ihr Besuch wie ein großes Geschenk! Ja – und nun will ich es also wagen, am 30.6. nach Stuttgart zu fahren. Ich werde mich sehr zurückhalten müssen, aber irgendwie wird es schon gehen. Ich weiß ja nicht, ob Sie in der Zeit vom 1.-10.7. noch im Lande sind und so vielleicht ein Wiedersehen möglich wäre? Schön wäre es ja. Ich rufe mal bei Ihnen an von Stuttgart aus. W.s haben jetzt die Wohnung der Mutter ausgeräumt und wollen andere Mieter hineinnehmen. Meine wenigen Erdbeeren haben zwar schön angesetzt, aber an ein Reifwerden ist bei den niedrigen Temperaturen und dem vielen Regen gar nicht zu denken. Das Getreide steht sehr schön, aber fast alle Pfirsichbäume sind erfroren und Äpfel und Birnen haben nur wenig angesetzt. Endlich gibt es den ersten Blumenkohl und Kohlrabi, wenig Salat und Gurken, von Tomaten gar nicht zu reden. Braucht man einen Geburtstagsstrauß, bekommt man im Juni Chrysanthemen angeboten usw., usw. Ich freue mich darauf, mal etwas anderes zu sehen!
So, das wär’s. Ganz ein wenig hoffe ich, daß wir uns vielleicht sehen und sprechen können!
Sehr herzliche Grüße der ganzen Familie! Ihre
Christa G.

 

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