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Brief (Transkript)

Küngolt R. aus Köngen an Wendelgard R. nach Halle/Saale am 27.05.1966

 

Köngen, den 27.5.66.

Liebe Wendelgard!
Jetzt bin ich wieder zu Hause. Das ist schön, aber ich soll noch viel liegen und tue das auch viel zu gern, sodaß von so einem Tag nicht viel übrig bleibt, und ziehe mich an wie mitten im Winter, damit nicht so bald wieder was an die verflixten Nieren kommt.
Für 2 ausführliche Briefe und auch für das reizende Osterpäckchen möchte ich Dir herzlich danken. Das Briefpapier ist wunderschön. Großartig, was es alles für Diabetiker gibt! Meine Patentochter hat das Abbild einer dünn gewordenen Handarbeitslehrerin großartig getroffen und sauber gemacht, sogar mit Brille! Auch die Glatze stimmte nach dem ersten Krankenhausaufenthalt ziemlich. Nach den guten Spritzen und Tabletten in Leverkusen hat sich aber alles so nett erholt, daß auch die Haare wieder sprossen und ich sie nun doch nicht schneiden lasen brauche. Auch die Wandtafel ist so nett arrangiert. Häkeln habe ich inzwischen an einem Pullover gelernt (Muster meine ich). Es macht Spaß und geht schnell, man braucht nur etwas mehr Wolle. Und man kann es sogar in der Bahn machen. Als ich das Häkelzeug auf der Rückfahrt von Wiesbaden (wo ich meine türkische Krankenschwester besuchte) auspackte, holte mein Gegenüber, eine sehr nette ältere Dame, auch was zum Nähen heraus, und wir haben uns prächtig dabei unterhalten. So nett hatte ich es im Zug noch nie getroffen. In Wiesbaden selbst möchte ich nicht länger sein. So was von Dünkel und Protz ist nicht mein Fall. Um so niedlicher wirkte dagegen meine kleine Türkin. Ja, und wenige Tage später ging es dann ab ins Krankenhaus, sodaß ich noch garnicht in meiner neuen Schule gearbeitet habe.
Dort sind insgesamt nur 40 Kinder. Jeder Erwachsene hat eine Gruppe von 8-10. Ich fahre mit dem Schulbus, der die einzelnen Kinder aufsammelt, hin und nachmittags auch wieder zurück. Mittags kriegen wir Mittagessen dort. So sind die äußeren Umstände schon mal regelmäßiger und nicht so anstrengend, sodaß ich hoffe, bis zu den großen Ferien durchhalten zu können, zumal man hoffentlich nicht weiterhin heizen muß wie jetzt gerade. Dann möchte ich mit Schwester Maria in den Schwarzwald, und das mußte alles schon festgelegt werden.
Heute brachte Frau B. auch das Paket zur Post, was ich Dir schon länger schicken wollte: Wolle für Dietgards Pullover (wie das Höschen in Baumw.), einen netten einfachen Hut (f. evtl. kurze Haare bestimmt), der aber zum Knoten nicht paßt, aber zum Rumliegen zu schade ist. Außerdem u.a. Silberdraht, Perlonschnur und Perlen für meine bastelfreudige Patentochter, auch die dazugehörige Zange zum Drahtbiegen und abschneiden. Obs ihr Spaß macht? Die Tube Rosen-Hautcreme ist für Schwester Charlotte. Bring sie ihr bitte mal. Ich hoffe, sie hilft ihren aufgesprungenen Händen.
Wie ist es mit Eurer Reise nach Ahrenshoop? Klappt das? Für heute ist’s genug. Euch alles Gute! Wie geht es Deinem Knie? Herzliche Grüße
von Deiner Küngolt.

 

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