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Brief (Transkript)

Christian S. aus Taubenheim an Charlotte A. nach Ratingen-West am 26.02.1978

 

26.2.78

Liebe Tante Lotte!
Besten Dank für Deinen Brief vom 20.2. Wir haben uns sehr darüber gefreut, daß Du sofort Verbindung aufgenommen hast. Inzwischen ist sicher auch der Brief aus Oberwiesenthal eingegangen. Sicherlich konntest Du Dir aus diesen Zeilen etwas mehr entnehmen. Wir können jedenfalls fest der Meinung sein, daß Stange der Mann ist. In meinen letzten Zeilen bin ich ja genau darauf eingegangen. Am Freitag war ich mich bei meinen Bekannten verabschieden. Sie plädierten wiederum für Dr. Stange. Kann mich ärgern, daß wir nicht eher von Ihm Gebrauch gemacht haben. Vielleicht wären wir dann schon weg. Leider läßt es sich nicht endern. Durch dieses Versäumnis müssen wir jetzt umso aktiver werden. Man weiß ja nie, wie die Zeiten kommen und jetzt sieht es doch nicht schlecht aus. Liebe Tante Lotte, sollte es Schwierigkeiten mit dem Stange geben, was ich natürlich nicht glaube, dann mache bitte von meinem Vorschlag Gebrauch damit alles gelingt. Wir kommen später schon klar. Liebe Tante Lotte, hat man aus Bonn auch mal was hören lassen? An dieser Stelle fällt mir soeben ein, daß meine Bekannten die am 2.3. gehen, absolut niemanden drüben haben nur weitläufige Bekannte. Sie lassen sich vorläufig im Lager in Gießen nieder. Liebe Tante Lotte, Du möchtest gern wissen wie es bei mir auf der Arbeit aus sieht. Die ganze Zeit habe ich mit Würde die Schikanen ertragen. Ich habe absolut keine [?] mehr. Kein Anliegen wird mir erfüllt, ja man hat gar kein Ohr mehr für mich. Aussprachen den Antrag zurückzuziehen, dafür habe ich auch kein Ohr. Mein Entschluß steht fest und dafür stehe ich auch gleich wie es auch kommt. Durch die Großbetriebsbildung ist es jedoch nicht möglich, den Betrieb zu wechseln. Es ist ja alles eins. Die Branche möchte ich jedoch auch nicht aufgeben. Die 800.- M die ich jetzt noch hier verdiene, zum Leben zu wenig, zum Verhungern zu viel, würde ich woanders gar nicht bekommen. Man hat mir ja deutlich genug ins Gesicht gesagt, ich sei ein Feind des Staates. Nach diesem Gesichtspunkt dürfte man woanders sicherlich auch eingestuft werden. Somit dürfte ein Betriebswechsel auch sehr schwierig sein. Dies sind jedoch Dinge denen ich standhaft entgegenstehe. Wenn es auch sehr schwer ist, werde ich bis zum Schluß durchhalten. Am schwersten zu ertragen ist die Ungewißheit, und das was Du demnächst erfahren wirst. Dieser Punckt zeichnet uns stark. Insbesondere Inge. Ohne Medizin kommen wir nicht mehr aus. Wir können uns gar nicht vorstellen was einmal werden würde, wenn …
Liebe Tante Lotte, wegen der Zündkerzen, daß lassen wir erst einmal. Du hast jetzt genügend Ausgaben und ich möchte Dich jetzt nicht noch mehr belasten. Kann finanziell jetzt sowieso nicht viel fahren. Vielleicht brauch ich auch gar keine mehr. Warum sollen wir nicht auch etwas Glück haben. Hast Du nicht auch etwas Hoffnung?
Moni ist am heutigen Tag bei uns. Mutti ist mit Anja nach Böhlen zu Bekannten gefahren. Sie bleibt bis zum Dienstag dort. Vorige Woche waren wir zum Karnickelbraten bei Mutti. Leider war Günter nicht dabei. Wir haben bald den Eindruck, daß es auch nicht mehr wird, wenigstens vorerst. Früher oder später, dann leider zu spät, gibt es immer wieder Einigung. Inge und ich, wir haben versucht, daß alles wieder in Ordnung kommt. Andere müssen eben auch etwas dazu beitragen. Mutti ist leider auch nicht immer der richtigen Meinung. Wie es bei Moni einmal enden wird, da bin ich reichlich gespannt. Trotz der Twistigkeiten werde ich Bemühtsein, die Hausangelegenheit zur Zufriedenheit zu lösen. Ich denke ja, daß dies mich nichts später angehen wird. Verzichte wirklich gern auf alles. Ansonsten ist alles bei uns beim alten. Liebe Tante Lotte, ich hoffe sehr bald gute Nachricht von Dir zu erhalten. Bis dahin verbleibe ich mit den besten Grüßen und bleibe uns recht gesund
Deine Lieben

 

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