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Brief (Transkript)

Christian S. aus Taubenheim an Charlotte A. nach Ratingen-West am 01.10.1977

 

Tbh, am 1.10. [1977]

Liebe Tante Lotte!
Nach wie vor müssen wir mit dem Schreiben vorlieb nehmen. Deshalb auch heute, in einer ruhigen Minute, diese Zeilen. Inge ist soeben mit Oliver etwas nach draußen gefahren, obwohl es sehr häßlich ist. Zunächst liebe Tante Lotte jedoch unser aller herzlichsten Dank für die vielen schönen Sachen. Ganz besonders habe ich mich gefreut. Obwohl es wirklich nicht nötig war, freue ich mich außerordentlich. Werden es sehr gut einteilen, mit der Berücksichtigung des Gedankens kein Pfennig [?] für den Feind. Es ist eine verdammt schwierige Zeit die wir durchstehen müssen. Die Zeiträume des verzweifeln werden immer kürzer. Obwohl ich persönlich viel gelesen und gehört habe, haben mich Muttis Zeilen stark getroffen. Meine Worte dazu möchte ich mir sparen. Es nützt uns nichts, brieflich dazu Stellung zu nehmen. Meine Einstellung kennst Du ja. Ob ich diese Gedanken in meinen nächsten [Anträgen] niederschreiben werde, das muß ich mir jedoch erst überlegen. Glaube jedoch, nicht lange mehr damit zu zögern diese Schweinerei mit anzusehen. Lieber gehe ich in den Knast als an den Schmerzen unserer Unterdrückung kaputt zu gehen. Denn was hier praktiziert wird steht nicht in der Verfassung oder in einer Deklaration der UNO. Man sollte sich lieber endlich besinnen was bei der UNO unterschrieben worde und was in der Verfassung steht. Leider sind wir nur kleine Leute, aber [in] der Zukunft werden auch diese sehr bissig werden. Endschuldige bitte, aber uns kozt jeder Tag den wir hier länger Leben müssen mehr an. Geschafft haben es unsere Dorfmitbewohner. Diese Familie, 4 vollwertige Arbeitskräfte und ein Kind, können die nächsten 14 Tage ausreisen. Ebenso eine Familie aus Bautzen.
Meinerseits macht man mir es immer schwerer. Nun ist man schon dazu übergegangen enonüme Anrufe loszulassen. Entweder wird verlangt den Antrag zurückzuziehen unter Drohung sonst die Konsiquenz ziehen zu müssen, oder man erkundigt sich ebenfalls anonüm ob ich zur Arbeit sei. Auch auf Arbeit droht man zu schweigen, wenn ich kritische Worte gebrauchen muß. Die Arbeitsbedingungen sind derartig schlecht, daß man kaum Worte findet. Es fehlt an den einfachsten Mitteln.
Liebe Tante Lotte, nun hast Du Dich doch wieder über die Arbeit gemacht. Du mußt doch eine schöne Stellung bzw. Arbeitsklima gehabt haben, sonst hättest Du bestimmt nicht zugestimmt. Auch eine schöne Befriedigung so eine Arbeitsstätte zu haben. Glaub schon, ganz alleine in den vier Wänden, das ist auch nicht schön. Liebe Tante Lotte, wie bereits von mir mitgeteilt hat es mit dem Nußknacker geklappt. Den einen werden wir die nächsten Tage abschicken. Solltest Du für jemanden noch einen gebrauchen, dann kannst Du noch einen haben. Von dem Erlös beider Nußknacker wenn es reichen sollte, könntest Du mir vielleicht ein paar Jeans schicken. Würde mich sehr darüber freuen. Andernfalls liebe Tante Lotte, was können wir Dir zum Fest schicken? Die Zeit rückt ja immer näher, und das Angebot ist sehr lückenhaft, weil die Ware zurückbehalten wird. Eine Preissteigerung in mehreren Bereichen steht vor der Tür.
Im persönlichen Ablauf gibt es nichts Neues. Kommenden Dienstag werden wir in kleiner Runde Olivers 2. Geburtstag feiern. Wie schnell doch die Zeit vergeht. Ich muß am Montag wieder zur Arbeit. War 8 Tage zu Hause. Mein „Jahresurlaub“. Die E. sind am heutigen Tage für eine Woche nach Sofia. Liebe Tante Lotte zum Schluß möchte ich Dich bitten in dem nächsten Brief meine Post stets mit dem Schreibdatum, also 1.10., zu bestätigen. Habe somit einen Überblick ob Dich jeweils unsere Post erreicht hat. Deine Karte „Grüße aus Düsseldorf“ hat uns erreicht. Diese ist ganze 15 Tage unterwegs gewesen. In der Hoffnung bald wieder ein paar Zeilen von Dir zu erhalten, in Sachen Freundschaft, mit positivem Charakter, verbleibe ich ganz lieb mit vielen lieben Grüßen als
Dein Christian
Ganz liebe Grüße auch von Inge und von unserem kleinen Matz.

 

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