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Brief (Transkript)

Christian S. aus Taubenheim an Charlotte A. nach Ratingen-West am 10.08.1977

 

Tbh, am 10.8.77

Liebe Tante Lotte!
Leider haben wir bis zum heutigen Tag noch kein Brief von Dir erhalten. Große Beunruhigung lag bei uns vor bezüglich der Briefe die von uns geschrieben worden. Erleichterung jedoch nach dem ich Deinen letzten Brief an Mutti gelesen hatte.
Liebe Tante Lotte, zunächst möchte ich jedoch auf Dein Anliegen antworten. Ich möchte es vorweg nehmen, da habe ich von beiden Dingen nichts mehr in meinem Besitz. Gewiß, es war nach dem Arbeiten ein Heft Plattgold sowie Anlegeöl übrig. Nur habe ich so gehandelt wie Du mir es damals in Bautzen gesagt hattest, in dem ich es eventuell verkaufen könne. Nur habe ich es nicht verkauft sondern bei den Arbeiten zu dem Grabmahl am Ende mit verrechnet. Die Arbeiten setzen sich ja aus dem Abtragen sowie späteren Aufsetzen, dem schlagen sowie vergolden der Schrift und dem Transport zusammen. Bezüglich der Gesamtkosten abzüglich die Verrechnungssumme der noch vorhandenen Materialien mußte ich damals noch 34,20 M zulegen. Nun hatten wir ja soviel Gutes stets von Dir, so daß ich von diesem Betrag nie etwas gesagt habe. Andernfalls möchte ich auch auf keinen Fall etwas dafür haben.
Es wird immer schwerer ein Brief zusammen zu bekommen. Ein Tag gleicht dem anderen und es bleibt leer an Erlebnissen. Die einzige Abwechslung besteht nur noch darin, daß wir sehr oft mit unseren Bekannten zusammen sind. Ein jeder hofft, bald etwas positives zu hören.
Kommenden Montag gehe ich nach dreiwöchiger Pause wieder zur Arbeit. Hatte mich nach dem baden die rechte Spanne stark verletzt. Wollte eine Glasflasche aufhalten die mir aus der Hand fiel, dabei feuerte ich voll gegen ein Schränkchen. Die Wunde hätte genäht werden müssen, nächsten Tag war es jedoch zu spät.
Nach der Arbeitsaufnahme werde ich dann ca. 3 Wochen arbeiten. Danach werde ich etwa 10 Tage Urlaub zu Hause machen. Sollte natürlich die Witterung schlecht sein, verschiebe ich den Urlaub. Das Jahr werde ich schon mit hängen und würgen über die Runden schaukeln. Man verliert immer mehr an Lust hier zu sein. Mein „Stimmungsparometer“ steigt immer höher. Neulich hat man erst (ab 1.8.) den Kaffee teurer gemacht. So gibt es jetzt bei uns eine neue Kaffeesorte. Für 6.- Mark kann man jetzt 100 gr. „Kaffee“ gleich 51% Kaffee und 49% Zusatz in jedem Geschäft erhalten. Andere Sorten läßt man fallen und verkauft ihn, den gleichen, zwei Klassen höher. Somit kostet jetzt der reguläre Kaffee statt 7,50 bzw. 8.75 M – 10.- Mark. Eine feine Sache was da der Arbeiter für den Arbeiter geschaffen hat. Von anderen Sachen ganz zu schweigen. Man muß schon viel Geduld und Spucke haben um dies zu verkraften.
Ganz so recht gefällt es Dir zu Hause wohl nicht? Es wird wohl nur eine Frage der Zeit, daß Du wieder berufstätig wirst.
Für Deine bevorstehende Kur wünschen wir Dir alles Gute wenn es auch noch einige Zeit dauert bevor Du sie antreten wirst. Mutti kommt hoffentlich auch, Sie freut sich sehr darauf. Am 26. könnte Sie Ihre Papiere abholen. Bis dahin verbleiben wir mit den besten Grüßen mit dem Wunsch uns nicht zu vergessen.

Deine lieben Taubenheimer
Inge, Christian und Oliver

 

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