Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM

Brief (Transkript)

Walter A. aus Ellmendingen an Horst H. nach Ostdeutschland am 31.01.1960

 

Ellmendingen 31. Januar 1960.
und 7. Februar

Lieber Horst!

Deinen sehr langen Brief sowie Deine diversen Grüße will ich Dir hiermit beantworten indem ich an Deine Nachsicht wegen meiner Nachlässigkeit appeliere und gewiß auch auf Dein geschultes Verständnis stoße.
Letzte Woche habe ich einen Brief, den Du letztes Jahr an meinen Vater geschrieben hast gelesen und mich in mancher Hinsicht über Fortschritte – besonders in stilistischer und philosophischer Hinsicht – bei Dir gefreut. Man merkt doch einen gewissen geistigen Einfluß – vom Theater, Kino, Schöngeistigkeit etc. auf Deine Einstellung. Du hast in dieser Hinsicht manchem einfachen, ja sogar besser gestellten Menschen – welcher in seinem täglichen Trott einrostet – voraus. Und die Werte der Kultur, Philosophie etc. sind nicht zu verachten. Allerdings darf man bei diesem allen die Realitäten nicht übersehen.
Daß Gott alle Sünder an sein liebendes Vaterherz drückt stimmt – zum Teil. Daß er die ewige Liebe ist stimmt ganz. Daß aber die Menschheit zum großen Teil in Haß und Bosheit verfilzt ist, ist allgegenwärtige, sichtbare und beweisbare Tatsache. Und daß sich das Gute nicht mit dem Bösen so ohne weiteres verbrüdern kann ist ohne viel logisches Denkvermögen zu begreifen. Wenn sich ein Mensch mit seinem menschlichen Bruder – Volk mit seinem Nachbarvolk – den oder das er sieht, nicht versöhnen oder verbrüdern kann, wie kann er an das liebende Vaterherz seines Gottes – der der Inbegriff alles Reinen, Wahren und gerechten ist, - eilen, den er nicht sieht und dessen Existenz er zum großen Teil leugnet?
Wenn der Mensch sein Leben beschließt – im Unglauben, Haß, Materialismus etc., - wie will der hoffen, in der Ewigkeit über seinem verpfuschten und verfehlten Leben mit sich selber ins Reine zu kommen? Es scheint mir, daß wir in diesem irdischen Leben – als einer im gewissen Sinne „Erprobungs- und Scheidungszeit der Geister“ – die leiblichen, seelischen und geistigen Möglichkeiten mitbekommen haben, für uns selbst und unsere Mit- und Nebenmenschen in christlichem Sinn etwas gutes zu wirken! Ein Mensch, der im Gefängnis oder Zuchthaus sitzt, ist in seinem Wirkungsvermögen eingeschränkt. Ebenso ein schwer kranker. Er kann unter Umständen nicht einmal mehr die Gedanken zusammenbringen, um ein Gebet zu formen. Aber er kann immerhin noch etwas tun. Er kann innerlich zu Gott seufzen. Er kann, genau wie der Zuchthäusler über sein Leben nachdenken und seine Sünden und Verfehlungen bekennen und soweit möglich in Ordnung bringen.
Hast Du schon jemals gehört, daß ein Toter versäumtes nachträglich hat in Ordnung bringen können: Wenn ein Mensch oder sagen wir Familienvater stirbt und er hinterläßt seinen Nachkommen und Erben Schlendrian, Hader etc. anstelle alles vorher genau zu ordnen, so wird es ihm nichts nützen, sich im Grabe herumzudrehn, wenn er beobachten muß, wie sein Schlendrian neuen Streit, Zank und Hader bei seinen Erben und Nachkommen verursacht. Was der Mensch sät – das wird er ernten. Daran ist nicht Gott schuld, sondern dies ist ein Naturgesetz. Selbstverständlich liebt Gott alle von ihm geschaffene Kreatur.
Dennoch beweist die Geschichte, daß diese Liebe Gottes sich nicht an einem „ans Herz drücken des sündigen Menschen“ erschöpft. Wo sollte man denn sonst alle die Ereignisse der Weltgeschichte, wo man von einem zornigen Gott reden könnte, einordnen?:
- Die Sintflut, die Vernichtung Sodom und Ghommoras, der 30 jährige Krieg, die Pest, das bei lebendigem Leibe Verbrennen unzähliger Menschen bei den Luftangriffen des letzten Krieges, das Vergasen der Juden (welche doch das „auserwählte Volk“ Gottes sind) die Konzentrationslager etc. -
Wenn diese Tragödien zum Liebeswirken Gottes gegenüber dem sündigen Menschen zu zählen sind, dann besteht immerhin die Möglichkeit, daß sich die Liebe Gottes gegenüber dem in seinen Sünden in die Ewigkeit eingegangenen Menschen, nicht im „ans Herz drücken“ desselben erschöpft. Es sei denn dieses „Ans Herz drücken“ wäre der Inbegriff aller Hölle und Qualen für denselben. Wer kann denn schon vor dem lebendigen Gott bestehen, welcher „ein verzehrend Feuer“ ist? Die Bibel sagt uns „nur wer reines Herzens ist“. Wir müssen den Begriff von dem „lieben Gott“ begraben. Gott ist der Allmächtige Schöpfer, Himmels und der Erden. Er kann nicht mit den von ihm abgefallenen (von ihm selbst geschaffenen) Teufel und Menschen paktieren. Eine Rückkehr derselben zu Gott ist nur denkbar, indem dieselben ihr verkehrtes, abgefallenes Wesen erkennen, und zu Gott in Buße und Reue zurückkehren. Indem der Sünder zu Gott zurückkehrt und eine göttliche Gesinnung annimmt, fängt er wieder an zu Gott zu passen. Wenn er in der Sünde beharrt ist er automatisch von Gott geschieden und kann sich keine Hoffnung auf ein weiteres Schuldopfer machen: „Christus ist einmal für unsere Sünden gestorben, und hat mit einem Opfer vollbracht, daß vieler Menschen Sünden bedeckt würden.“
Der Glaube ist die Voraussetzung für die Inbesitznahme der Rechtfertigung durch den Sünder. „Ohne Glauben ist es unmöglich Gott zu gefallen.“ Wer jedoch glaubt, der wird umgewandelt in Gottes Bild. „Wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden!“ Dieser Satz steht in der Bibel. Wollte man diesen Satz anzweifeln, so würde man eigene Philosophie an die Stelle der Bibel setzen. Ich nehme an, daß dies verhängnisvoll ausgehen würde. Die Verdammung ist ja nicht ein ungnädiger Akt eines „bösen Gottes“ sondern ist das Ziel oder die Richtung, die ein Mensch, der mit dem Rücken gegen Gott immer weiter weg von demselben seinen eigenen Weg geht, eingeschlagen hat. Der Mensch besitzt ja die sittliche Freiheit, sich seine Lebensrichtung selbst zu wählen und zu gestalten. Sein Ende ist das von ihm selbst gewählte Ende. Um ans Vaterherz zu gelangen, bedarf es einer Richtungsänderung oder Umkehr – auch Bekehrung genannt. Jetzt hat der Sünder ein anderes Ziel vor Augen. Mag er in seiner Veranlagung, seinen Taten und Temperament auch noch so unzulänglich sein – die Blickrichtung ist eine andere geworden! „Wo Euer Schatz ist – da ist Euer Herz!“ Und wo unser Herz ist – da ist unser Ewiges Los! „Suche Jesum und sein Licht – alles andere hilft Dir nicht!“

Auf baldiges Wiedersehen!
Dein Walter, Elfriede, Eva, Friedemann und Lothar.

 

top