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Brief (Transkript)

Klaus S. aus Köln an Jürgen L. nach Ostberlin im Oktober 1989

 

[Ende Oktober 1989]

Hallo Ihr Zwei,

endlich komme ich mal dazu Euch einen Brief zu schreiben, und mich nochmals für die schönen Tage bei Euch bedanken kann. Es hat mir sehr gut gefallen und sobald es irgendwie geht, werde ich Euch wieder besuchen. Einer Freundin von mir hab’ ich von Euch erzählt. Sie war so angetan, allein von meinen Erzählungen, daß sie unbedingt mal mit will.
So, jetzt will ich erstmal etwas von meinem Urlaub berichten. Erstmal ist zu sagen, daß das Verständnis und das Miteinanderauskommen besser war als ich erwartet hatte. Ich dachte eigentlich, daß es hier und da zu einer handfesten Auseinandersetzung kommen würde – aber nichts.
Wir hatten ein recht nettes Haus mit Garten und Feigenbaum und Rasen, Küche, Wohnzimmer und jeweils zu zweit ein Zimmer. Das Haus lag ungefähr 1 km vom Meer entfernt in einer Ferienhaussiedlung. Die Umgebung war eigentlich auch nicht schlecht. In der Nähe war ein ausgedehnter Wald zum spazieren und „joggen“ (--> einmal hab’ ich’s nur geschafft meinen schlaffen Körper durch den Wald zu jagen). Der Ort an dem die Siedlung lag, war ein totales Touristenörtchen. Bar an Bar überall Postkartenstände etc. Dafür waren die anderen Städte schöner. Tja, der Pisaturm ist immer noch schief. Wir hätten wahrscheinlich viel Ärger mit den hunderten von Touris gehabt, die dort herumliefen, wenn wir ihn gerade gerückt hätten. An Pisa ist eigentlich nur der Dom, der Turm und die Uffizien interessant. Sonst hat diese Stadt eigentlich nicht viel zu bieten. Besser war es da schon in Florenz. Die Stadt strotzt ja vor Kultur und Menschen, die sich die Kultur reinziehen. Wir haben zwar eine ausgedehnte Stadttour gemacht. Aber um alles mal zu sehen bedarf es doch mehrerer Tage. Da hat man auch die nötige Ruhe. Weiterhin waren wir noch in Siena, St. Germignano, Carrara, Rom. Zu Siena: Es gibt dort eine wunderschöne Altstadt mit kleinen Gässchen, süßen Geschäften und natürlich alten Kulturdenkmälern. Auf einem großen Platz mitten in Siena trifft sich dann alles wieder, um dort Café, bierra bzw. serveza zu trinken oder einfach nur in der Sonne zu sitzen, Leute begucken und selbst beguckt zu werden. Recht international, die ganze Sache. Am schönsten ist, wenn eine Reisegruppe den Platz überquert und voran der Fahnenträger geht, der der Gruppe mit der Fahne die Richtung weist bzw. dient die Fahne als Anlaufpunkt für alle Gruppenmitglieder. Ein recht lustiges Schauspiel, da alle nach der Fahne Ausschau halten. Wenn dann mehrere Gruppen auf dem Platz sind muß der oder die schon aufpassen, daß er/sie die richtige Gruppe mit der richtigen Fahne erwischt. An diesem Platz steht auch ein altes Rathaus mit einem hohen Turm, von dem man eine fantastische Aussicht auf die Toskana hat.
In St. Germignano wurden irgendwann mal, weiß „der Geier“, wie lange das schon her ist, die ersten Wohntürme errichtet. Die Stadt liegt auf einer Anhöhe und wenn man sich ihr nähert sieht die Silhouette aus wie „Klein-Manhattan“. Es ist eine recht kleine Stadt, sehr alt und wirklich schön.
So, zu Carrara. Die Stadt selber gibt eigentlich nicht soviel her. Nur die Berge dahinter sind nicht ohne. Dort hat nämlich schon Michelangelo sein Marmor aus dem Berg gehauen und seinen David und diverse andere Figuren aus den Marmorklötzen gemeisselt. In den Bergen war ein kleines Museum. Hier wurde dargestellt, wie mühsam die Leute früher das Marmor zu Tal geschafft haben. Soweit bisher. Zu Rom noch eine kleine Vorgeschichte.
Wie ich Euch ja schon mal berichtet habe, habe ich in Spanien Römerinnen kennengelernt. Zwei dieser Römerinnen haben uns in unserem Haus besucht. Und wie ich schon schrieb, hatten wir in unserem Garten einen Feigenbaum voller reifer Feigen. Nur trauten wir dem Braten nicht und haben keine gegessen. Als dann Maria und Amelia kamen sahen sie den Feigenbaum und waren ganz entzückt, nahmen eine Feige und ließen sie sich schmecken. Tja und als der Urlaub zu Ende war, war auch der Feigenbaum leer, da wir auch auf den Geschmack gekommen sind. Mit den beiden Römerinnen und einer Bekannten sind wir dann für 3 Tage mit nach Rom gefahren. Es war ja nur toll. An jeder Ecke steht ein altes Haus, irgendein Denkmal, hunderte von kleinen und großen Brunnen, viele Autos (leider) und viele ganz unterschiedliche Menschen, von skuril bis stink normal von schwarz über weiß nach gelb. Maria hat uns einige schöne Dinge gezeigt, wie Forum Romanum, eine Ausgrabungsstätte (Via Appia und so), das Colosseum, wo früher der Zirkus mit den Löwen war, Trastevere, eine wunderschöne Altstadt mit Gäßchen, Brunnen Plätzen und vielen kleinen gemütlichen Kneipen, Spanische Treppe, Piazza Venezia … Leider, leider war die Zeit viel viel zu kurz. Ich hätte dort Wochen verbringen können und mit Maria, Amelia und den anderen die Stadt erforschen können – aber nun.
Zum Abschluß der Reise stand dann eine Fete, allerdings schon wieder in der BRD. Eine Freundin wurde 30 Jahre und hat es toll gefeiert und für uns war die Feier ein willkommener Abschluß.
So, das war kurzgefasst ein kleiner Reisebericht von Italien.
Jetzt zu ernsteren Sachen. Ich verfolge jetzt schon seit Wochen die Aktionen bei Euch. Ich finde es wahnsinnig, wie teilweise panikartig das Land verlassen wird. Viele Leute alles zurück lassen, auch Frau und Kind, in der Hoffnung auf spätere legale Ausreise der Angehörigen. Auch muß ja einiges schief laufen, wenn so viele Menschen auf einmal „abhauen“ und Arbeitsplätze und leere Stellen hinterlassen. Ganz zu schweigen von den persönlichen Lücken, wenn aufeinmal ein Freund nicht mehr da ist.
Jetzt ist ja „Honey“ nicht mehr dran, aber dem Krenz sagt man hier auch nichts gutes nach, da er „Honey’s“ Zögling war. Meint Ihr, er würde es besser machen? Er hat ja die FDJ aufgebaut und das Massaker in China verbal gebilligt, was eigentlich schon `ne Unverschämtheit ist, dieses „Abschlachten“ auch noch zu unterstützen. Reiseerleichterungen sind ja angekündigt und weiteres. Ich hoffe, daß die Mühlen nicht so langsam mahlen. Ich hoffe ja immer noch, Euch mal in Köln als Gäste zu haben und, um Euch mal zu zeigen, wo ich lebe.
Schade, daß es nicht geklappt hat Euch zu besuchen, als ich in Berlin war. Da hätte ich glatt noch mit Dir, lieber Jürgen, und Deinen Kollegen einen mitgetrunken. Die Hochzeit war so wie jede Hochzeit. Man tut feierlich und fröhlich, trinkt sich einen an, quasselt viel und viel dummes Zeug, tanzt wie jeck und – schwupp – alles ist vorbei. Falls ich wirklich mal heiraten sollte, ich weiß nicht was ich für `ne Feier machen würde. Auf jeden Fall keine, wo sich die Leute in irgendeinen Gala-Fummel zwengen müssen und mit Schlipsgeschnürtem Hals auch noch Lachen sollen.

Ich wünsche Euch alles Liebe.
Tschüß
Klaus

 

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