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Brief (Transkript)

Klaus S. aus Köln an Jürgen L. nach Ostberlin am 06.07.1988

 

6.7.88

Liebe Gabi, lieber Jürgen,

vielen Dank für Euren lieben Brief. Mir geht es im Moment recht gut, da ich mich gerade auf den Semesterschluß vorbereite. Rückblickend auf das vergangene Semester muß ich sagen, daß ich nicht allzu viel geschafft habe. Ich habe zwar einige Praktika abgeschlossen, dafür aber auch eine Klausur verbaut und zwei Klausuren erst gar nicht mitgeschrieben. Somit war es eigentlich ein nicht so erfolgreiches halbes Jahr. Aber in zwei Wochen sind Ferien und ich kann alles mal für eine Weile vergessen und ausspannen, sofern möglich, da ich mir noch das Geld für den Urlaub verdienen muß. Aber jetzt genug gejammert, schließlich habe ich das Studium ja erst begonnen.
Ich habe für Euch mal ein paar Bücher ausgesucht, die Euch vielleicht interessieren. Da wäre das erste Buch über Studien und Berufswahl, zwar von 1984/85, aber ich denke, daß sich in den drei Jahren nicht soviel geändert hat. Es ist ein Handbuch für Schulabgänger, um ihnen die Studien- bzw. Berufswahl zu erleichtern. Es beschreibt kurz und knapp Berufe u. Studien und wie man es anfängt das zu werden, was man werden will. In der Mitte des Buches ist eine Bestellkarte mit eingebunden, mit denen man 2 Informationen speziellerer und ausführlicherer Art bestellen kann. (Blätter zur Berufskunde) Wenn Ihr über den einen oder anderen Beruf mehr wissen wollt, so schickt mir die Karte mit Angabe der Katalogziffer. Ich werde die Hefte bestellen und sie Euch zusenden.
Das zweite Buch ist eine Studenten Service Broschüre. Dieses Buch gibt Tips über Förderungsmöglichkeiten. Leider ist es auch schon etwas älter und einiges schon überholt aber das Grundkonzept ist doch gleich.
Das dritte Buch (Roter Faden) ist eine Kurzinformation über das Studium in NRW. Es sagt kurz und knapp was man wo, wie wann studieren kann.
Ja! Das vierte Buch ist die Geschichte unsereres Fachbereichs. Ist für Euch vielleicht interessant, wo ich den Größteil meines Tages verbringe.
Ich habe mir erst überlegt, daß es nicht so gut ist die Bücher zu schicken, aber ich denke mir, daß die Post viel zu tun hätte um alle Pakete durchzusehen, die von hier kommen.
Schade, daß Gabi die BRD-Reise nicht antreten konnte. Ein Wiedersehen in Köln wäre sehr schön gewesen. Ich hoffe, daß es doch noch mal klappt und ich einen(e) von Euch hier begrüßen kann. So wie es ist, dürft Ihr ja leider nicht gemeinsam ausreisen, daß wäre wohl das Schönste für Euch und auch für mich. Ein Besuch bei Euch wäre für mich im September möglich, und zwar in der Woche vom 19. bis 25. Sept. Das hängt allerdings auch davon ab, wann wir aus dem Urlaub zurück sind, da das Urlaubsende um mehrere Tage offen ist. Ich werde mich aber auf jeden Fall vorher brieflich bzw. telefonisch bei Euch melden.
Lieber Jürgen, du schreibst von einer ungarischen Hochzeit, die ein Erlebnis ist. Ich habe soetwas in der Tat noch nicht erlebt und ich stelle mir es schön vor, so wie Du es beschrieben hast und was ich aus dem Fernsehen kenne. Dabei zu sein, zu feiern, tanzen, essen und trinken ist bestimmt das Höchste. Da unterscheidet sich eine ungarische Hochzeit doch stark von einer Hochzeit hierzulande. Meine 5 Geschwister sind verheiratet und die Hochzeitsfeiern fielen doch im Vergleich zu so einer Hochzeit eher brav und gesittet aus. Klar, man feiert auch bis in die frühen Morgenstunden und ist auch ausgelassen, aber ich glaube, von der Atmosphäre her kein Vergleich. Ich weiß nicht, ob man bei Euch auch einen Polterabend veranstaltet. Das ist ein Fest für Freunde und Bekannte, die nicht an der Hochzeitsfeier teilnehmen, weil die oft im familiären Kreis gefeiert wird. Seit einigen Jahren wird es oft gemacht, daß der Polterabend mit der Hochzeit zur Polterhochzeit kombiniert wird. Diese Art von Festen sind sehr interessant und lustig, da alle Freunde, Bekannte, Verwandte etc. an dieser Feier teilnehmen und so ein bunt gemischter „Haufen“ zustande kommt, wo in der Regel richtig Stimmung aufkommt.
Aber von dieser Stimmung auf eine andere „Stimmung“. Verfolgt man hierzulande die Medien, so wird auch hier deutlich, was in Eurem Brief geschrieben ist. Der „kleine Mann“ auf der Straße merkt nichts vom Reformkurs. Ein interviewter Sowjet sagte im Fernsehen, daß die Kunst und Kultur freier werde doch Fleisch gäbe es immer noch nicht, und das Gorbatschow neue Reformen bringe, von denen er aber nicht satt werde. Das spiegelt für mich eigentlich auch die Situation wieder, die du lieber Jürgen beschrieben hast. Und so wie es aussieht geht ja die DDR ihren eigenen fast isolierten Weg. Sie kapselt sich von den anderen Ostblock-Staaten ab, die Perestrojka akzeptieren und in ihrem Land weiterführen wollen. Mir ist nur nicht ganz klar, wie weit die SED-Oberen in der Lage sind das Volk der DDR „ruhig“ zu stellen, da ich mir vorstellen kann, daß Reformen, die in anderen Staaten durchgeführt werden nicht an der DDR-Grenze hängenbleiben. Aber darüber wirklich mehr, wenn wir uns sehen.
Ich wünsche Euch einen schönen Urlaub, viel Spaß mit netten Leuten und Entspannung von Arbeitsalltag.
Bis auf ein Wiedersehen!!!

Tschüß
Klaus

 

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