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Brief (Transkript)

Klaus S. aus Köln an Jürgen L. nach Ostberlin am 07.06.1988

 

Köln, 7.6.88

Liebe Gabi, lieber Jürgen,

vielen Dank für Euren lieben Brief. Ich habe mich sehr darüber gefreut. Besonders gefreut habe ich mich über Euer Angebot, mit Euch Ungarn kennenzulernen. Normalerweise habe ich, ehrlich gesagt, keinen richtigen Bezug zu Ungarn bzw. Balkan überhaupt. Bisher hat es mich immer in Länder wie Griechenland, Italien, Frankreich, Spanien gezogen, weil ich im Urlaub den südländischen Flair, die Sonne, das Meer und das leichte Leben auch mit den Einheimischen genießen möchte. Auf der anderen Seite habe ich schon einiges über Ungarn u. Rumänien von Bekannten gehört, die diese Länder bereist haben. Sie waren begeistert. Weiterhin habe ich auch niemanden gefunden, der mit mir hingefahren wäre, weil die meisten meiner Bekannten Südeuropafahrer (Mittelmeer) sind.
Euer Angebot kommt für mich auch sehr überraschend. Nun ist es so, daß ich mit Bekannten von der Uni im September 2 Wochen nach Spanien fahre (nähe Barcelona). Wir haben dort durch einen anderen Bekannten ein Ferienhaus, das recht gut gelegen ist. Da ich erst im September fahre würde es zeitlich sicherlich gehen, daß ich zweimal in diesem Jahr fahre. Doch – nun taucht eine weitere Schwierigkeit auf, denn ich habe einen Fotojob zugesagt. Dieser Job erstreckt sich auf 6 Wochen, also von Mitte Juli bis Ende August, so daß ein Urlaub in dieser Zeit sowieso recht schwierig wäre. Ich benötige auch einen Teil des Geldes für den Spanienurlaub. Irgendwie ärgert es mich, daß ich meine Semesterferien zeitlich völlig durchgeplant habe. Besonders weil ich nur noch 1 freie Woche habe, in der ich etwas für mich machen kann. Nun ja, - aber vielleicht bleibt Euer Angebot ja fürs nächste Jahr bestehen. Es ist zwar noch eine lange Zeit bis dahin, aber ich denke, daß wir dann einige Monate vorher etwas planen können. Außerdem werden wir uns, wie ich hoffe, vorher noch sehen. Wenn es im August nicht klappt, dann vielleicht im September.
Lieber Jürgen, so wie ich Eurem Brief entnehme, hat dich Berlin-West doch sehr beeindruckt. Mir ging es genauso und auch, wenn ich nach Berlin fahre bin ich immer von neuem beeindruckt von der Stadt, den Menschen und der Vielfalt an Möglichkeiten in allen Bereichen. Als ich die Zeilen las, erschien es mir, daß bei dir eine gewisse Euphorie aufgekommen ist. Ich glaube schon, daß es wirklich zwei Welten sind, die dort durch eine Mauer getrennt sind, aber der Individualität sind auch hier Grenzen gesetzt. Wahrscheinlich nicht so krass wie bei Euch, aber das Leben kann einem durch Behörden und auch Mitmenschen recht schwierig gemacht werden. Ich will jetzt nicht, daß Ihr meint, „der will uns 'was einreden" oder so, ich glaube nur, daß Ihr Eure Erwartungshaltung nicht zu hoch schrauben solltet. – Wahrscheinlich könnte ich jetzt auch wieder so viel schreiben bis mir irgendwann der Arm abfällt. Das woll’n wir ja nicht und hoffe deshalb, daß wir bei unserem Treffen uns viele Fragen gegenseitig beantworten konnen.
Apropos Fragen. Die Antworten auf Eure Fragen bezüglich der Studiererei und Arbeiterei in der BRD kann ich im Moment nicht beantworten. Ich glaube, es ist am besten Euch ein Buch zukommenzulassen, indem viele Berufe und Studiengänge beschrieben sind. Teilweise mit Voraussetzungen und Unterstützung. Das Buch habe ich leider nicht in Köln, sondern wie den Großteil meiner Bücher bei meiner Mutter in Olfen. Ich will auch mal sehen, ob ich nicht ein aktuelles Exemplar ergattern kann, weil diese Bücher jährlich vom Bundesamt für Arbeit ausgegeben werden.
Entweder schicke ich es Euch zu oder wenn’s im September klappt, bringe ich es mit.
Was mich betrifft, so habe ich im Moment alle Hände voll zu tun. Es geht dem Semesterende zu und das heißt u.a. Klausuren schreiben. In diesem Semester stehen 3 Klausuren mit jeweils 2 Wochen Abstand an. Es sind leider auch ziemlich schwierige Fächer (physikalische Optik, Chemie, Mathe) die sehr viel Vorbereitung bedürfen. Ansonsten habe ich mich erst jetzt richtig in Köln eingelebt. Ich hatte erst nicht das Gefühl, daß es meine Heimat ist doch mittlerweile, besonders bedingt durch nette Leute, die ich hier kennengelernt habe, käme eine andere Stadt erstmal nicht in Frage und das ist ein schönes Gefühl. Ich meine auch, daß Köln mit Berlin nicht zu vergleichen ist, weil es doch viel kleiner ist aber auch die Mentalität der Rheinländer ist anders. Die meisten sind recht lebensfreudig, hilfsbereit, aufgeschlossen manchmal in ihrer Frohgemut etwas aufdringlich. Besonders muß man sich hier (wie in Berlin) an die Sprache gewöhnen. Da erscheinen manchmal abenteuerliche Satzkonstruktionen oder Wörter, die man noch nie gehört hat.
Falls Du Gabi in der BRD bist könntest Du, wenn es Deine Zeit zuläßt vielleicht einen Abstecher nach Köln machen. Ich würde mich sehr freuen, kann mir aber auch vorstellen, daß es ein ziemliches Gehetze für Dich ist – aber, vielleicht klappt es ja. So, nun wird gleich ein Studienfreund kommen und gemeinsam werden wir uns der Optik widmen, also rechnen, verstehen – oder auch nicht. Vielleicht stößen wir ja doch noch auf „des Pudels Kern“.

Bis bald!
Alles Liebe
Klaus

 

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