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Brief (Transkript)

Klaus S. aus Köln an Jürgen L. nach Ostberlin am 03.02.1988

 

Köln, 3.2. `88

Hallo Ihr Zwei,

vielen Dank für Euren Brief und die Weihnachtsgrüße aus Ungarn. Mir geht es im Moment relativ gut. Nur geht mir die Studiererei ein wenig auf die Nerven. Der Druck, der auf einem lastet ist doch recht groß. Vor allem die Anforderungen, die von Seiten der Professoren gestellt werden, schrauben sich immer höher. So bin ich recht froh, daß jetzt Ferien sind und ich mal vom Studium abschalten kann und mich praktischer Arbeit widmen kann. Nach den Ferien sieht alles schon wieder ganz anders aus, und voller Elan werde ich mich wieder ins Studium stürzen. Zwischendurch muß man sich immer wieder neu motivieren und da leistet auch meine Familie in Olfen, wo ich die nächsten 4 Wochen bin, unbewußt Aufbauarbeit. Weiterhin geht mir meine kleine Wohnung hier in Köln auf die Nerven. Es ist sehr laut hier, da direkt an einer 4 spurigen Hauptstraße gelegen, und viel zu klein. Besser wird es, wenn ich umgezogen bin – doch erst muß mal derjenige, der jetzt noch dort wohnt, eine andere Wohnung gefunden hat. Das ist leider nicht so einfach, da er auch Student ist und eine preiswerte Wohnung braucht und so’was zu finden ist erst recht schwer. – Doch jetzt genug davon.
Das Weihnachtsfest hab’ ich gut hinter mich gebracht. Am Heiligen Abend waren meine Mutter und ich bei meinem Bruder eingeladen. Dort haben wir dann mit drei Kindern, zwei Omas, den Eltern und einem Onkel (das bin ich, auch genannt „Klausi-Mausi, von den Kindern) Bescherung gemacht. Schön waren die Reaktionen der Kinder beim Auspacken der Geschenke – große Augen, offene Münder und Ausrufe der Freude und des Erstaunens. Um 24:00 Uhr haben wir uns bei einem Freund getroffen und mit vielen Bekannten und Freunden bis in die Morgenstunden zusammen gesessen und viel gequatscht. Es kamen dann sehr viele Bekannte von mir, die man selten sieht, weil sie in der ganzen Republik verstreut sind. Die restlichen Tage waren dann ausgefüllt mit viel essen und trinken, mit Nichten und Neffen die neusten Spielsachen ausprobieren usw. Ausgeklungen ist Weihnachten mit einem Konzert in einem Jugendzentrum im Nachbarort. Dieses Jugendzentrum ist zu Konzerten immer Treffpunkt aller „Ehemaligen“, die einen Teil ihrer Jugend in diesem Jugendzentrum verbracht haben.
Silvester war ich mit ein paar Freunden auf einer großen Party mit ca. 70-90 Leuten. Wir haben uns köstlich amusiert, viel getanzt und bis zum anderen Morgen gefeiert. Ich kann mir vorstellen, daß Euch Prag sehr gut gefallen hat. Ich hatte mir immer schon mal vorgenommen dort hinzufahren, doch irgendwie hat es nie geklappt. Die Idee einen gemeinsamen Urlaub dort oder auch in Ungarn zu verbringen halte ich für sehr gut. Vieleicht klappt es ja in diesem Jahr. Ich werde mir nichts anderes für den Sommer vornehmen und wenn Ihr Zeit habt können wir durchstarten. Ich hoffe aber, daß wir uns vorher noch sehen werden. Ich möchte entweder Ostern oder Pfingsten `gen Berlin fahren und Euch besuchen. Wann genau können wir ja noch ausmachen, wenn ich weiß wann bzw., wenn Ihr Zeit habt.
So, ab morgen werde ich mich in den Olfener Karneval stürzen und feiern was das Zeug hält. Mal so richtig austoben, tanzen bis zum Umfallen und singen, was die Stimmbänder und Lunge hergeben. Hört sich wild an, ist es auch fast. Karneval in Olfen zu feiern ist auch ein Höhepunkt des Jahres. Schön ist, daß man viele Leute trifft, die man sonst sehr selten sieht und es gibt dann neben tanzen, trinken, singen viel zu erzählen. Außerdem komme ich aus einer karnevalistischen Familie. Mein Vater war je einmal Prinz und Johann und meine Mutter ist auch kein Kind von Traurigkeit. Das hat sich natürlich auf die lieben Kinder übertragen – wie auch anders. Das meiste hat allerdings mein Schwesterchen Nanne mitbekommen. Wenn es auf die 5. Jahreszeit (Karneval) zugeht hat sie immer „Hummeln“ im „Hintern“. Dienstags ist auch immer ein kleiner Karnevalsumzug in Olfen, wo unser kleines Städtchen von tausenden Zuschauern bevölkert wird (wirklich kein Karnevalsgag). Wenn es sonnig war, wurden schon 15.000 Besucher gezählt. Das entspricht der doppelten Einwohnerzahl Olfens.
Was ich eigentlich schreiben wollte ist, daß Nanne vorher sagt, sie würde nicht am Umzug teilnehmen. Doch sobald sie die ersten Trommeln und Fanfaren hört ist sie für kurze Zeit verschwunden, schmeißt sich in ihr Kostum und man sieht Schwesterchen laut „Helau“ schreiend durch die Olfener Straßen tanzen. In diesem Jahr wird es wohl nicht gehen, da sie zum 1. Februar eine neue Stelle angenommen hat und von Karnevalsurlaub nicht die Rede sein kann. Sie hört es nicht gerne, wenn man so von ihr redet, also als Oberkarnevalsnudel sie tituliert. Besser Ihr erwähnt nichts davon in Euren Briefen an sie.
So, das wär’s erstmal wieder aus Köln. Wie Karneval war, werde ich Euch dann berichten.
Heut’ werde ich mich mal auf Karnevalskölnisch verabschieden.

Tschö
und Kölle Allaf!!!
Klaus

P.S.: Ich bin bis zum 6. März in Olfen. Wenn Ihr bis dato schreiben wollt hier die Adresse.
K.S.
[Straße und Hausnummer]
4716 Olfen

 

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