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Brief (Transkript)

Klaus S. aus Köln an Jürgen L. nach Ostberlin im November 1987

 

[vermutlich November 1987]
Hallo Ihr Zwei,

na, wie geht’s Euch?! Erstmal vielen Dank für Euren Brief. Ich hab’ da auch noch `ne tolle Postkarte erhalten. Motiv: Junger Mann in Ost-Berlin. Wirklich eine gelungene Postkarte, vor allem das Motiv (hüstel-hüstel) Wann geht Ihr in Druckserie? – Ich denke es wird wohl ein Unikat bleiben. Wie ist denn das „Baggerfoto“ geworden? Bestimmt genauso gut.
Ich hoffe, lieber Jürgen, daß Dein Finger wieder ok ist und Du somit wieder voll einsatzfähig bist. Meine Erkältung ist Gott sei dank verschwunden. Genauso plötzlich, wie sie gekommen ist – über Nacht.
Die Wohnungsfrage ist nun auch geklärt. Ich werde, wenn nicht irgendetwas unvorhergesehenes passiert, mit einer Bekannten zusammenziehen. Der Haken ist nur, daß das Zimmer noch belegt ist und derjenige sich auch erstmal nach einer neuen Bleibe umsehen muß. Zur Zeit herrscht in Köln aber eine bedrückende Wohnungsnot, gerade für Studenten, die sich eine teure Wohnung nicht leisten können. Es ist schon soweit, daß öffentlich aufgerufen wird Studenten aufzunehmen, da einige Studenten in Notunterkunften untergebracht sind. Mit 4-8 Leuten auf einem Zimmer. Da ist an ein ordentliches studieren nicht zu denken. Zur Zeit geht es hier ganz schön ab an unserer Schule. Auf 9000 Studentenplätzen fallen 18000 Studenten, d.h. überfüllte Hörsaale, warten auf Praktikumsplätze, kein Platz in der Cafeteria. Gleichzeitig werden aber Professorenstellen gekürzt, weil kein Geld da ist. Deshalb geht es am 7.1.88 nach Düsseldorf zum Landtag um mit einer Demonstration unseren Vorderungen Nachdruck zu verleihen. Ich hoffe, daß viele Leute kommen werden. Vielleicht kommt es sogar soweit, daß die Schule bestreikt wird, wie es in Hamburg der Fall ist. Dort hat der Rektor, aufgrund der miserablen Situation, die Schule einfach dicht gemacht und den Hamburger Senat verklagt, auf das Recht auf ordentliches studieren bei gleichem Recht für alle.
Von Regiesseurin Ruth Berghaus hab’ ich noch nichts gehört. Das liegt wohl auch daran, daß ich kein Opernfan bin. Obwohl man mir gesagt hat, daß es ein Erlebnis sei, eine Oper anzuhören. Kann ich leider nicht beurteilen.
In der Vorweihnachtszeit ist hier in Köln der Teufel los. Die Geschäfte und Straßen sind schon Ende November weihnachtlich geschmückt und es wird gekauft als gäbe es nach dem Fest nichts mehr. Aber da geht das Umtauschen los. Das Fest ist ein reines Geldgeschäft. Es ist sehr schade, weil durch diesen ganzen Rummel der Frieden und die Freude, die von diesem Fest ausgehen soll, völlig verloren geht. Ja, und danach ist auch schon Silvester!
Euer max Bel Prinzip ist vom wirtschaftlichen Standpunkt wirklich hervorragend, doch leider muß man doch manchmal strampeln, um Erfolge zu erzielen. Ich wünsche Euch aber auch bei minimalem Einsatz maximalen Erfolg.
Also min Ei mit max Er!

Tschüß
Klaus

 

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