Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM

Brief (Transkript)

Paula M. aus Hamburg an Anneliese H. nach Behrenhoff am 10.01.1947

 

Nr. 20
8 Briefmarken Hamburg. 10. Januar 1947
zu 24.

Meine liebe Kleine Süße! Nun schreiben wir 1947. Eine 7 ist dabei, ob sie uns was Besonderes bringen wird? Die Querzahl ist 21, läßt sich auch wieder durch 7 teilen. Na, wir müssen abwarten. Es ist jetzt tüchtig kalt und ich denke so oft an Dich + Euch. Am meisten, und jetzt wirst Du lachen, wenn ich in der Toilette bin. Was ist die Angelegenheit da scheußlich und hier ist es eine Andacht. Unsere Wasserleitung ist bis jetzt in Ordnung. Die Stromverhältnisse sind sehr schlecht, das werdet Ihr im Radio schon gehört haben. Unendlich viele Menschen sitzen im Dunkeln und kochen können sie auch nicht. Es ist schon ein Jammer augenblicklich auf der Welt. Wir haben es mit dem Strom noch gut. Aus irgendwelchen technischen Gründen können wir, die Innenstadt, nicht abgeschaltet werden. Wir müssen aber ¼ einsparen. Das fällt uns im Augenblick nicht allzuschwer, weil wir auf dem Herd kochen. Wir haben es so wie in Stralsund. Nur die Kohlen sind so knapp. Es sind schon Menschen in den Betten erfroren. In allen Lauben wohnen ja auch Menschen. Lydia’s Werner muss auch so frieren. Das Lager, eine Burg, hat Centralheizung die nicht im Gang ist. Sie hat ihm schon einige Sachen, die Erich abgegeben hat, hingeschickt. Das geht wenigstens schon. Er hatte nicht einmal Strümpfe. Sie weinte so. Er sollte ins Lazarett weil er so erkältet war. Auch sollte er geröntgt werden. Vielleicht hat er es da besser. Hier werden sogar manche Krankenhäuser wenig geheizt. Und, wer weiß, ob es im nächsten Jahr schon besser sein wird. Nun genug davon. – Unsere Rübenkreude haben wir noch nicht kochen können. Das sind nun Eisklumpen geworden. Und bei der Kälte mögen wir auch nicht. So wie Tauwetter einsetzt geht es aber ran. Es ist nicht schlimm, etwa 2 Centner. Und, wovon wir schon öfter gesprochen haben, und was ich Dich schon längst mal fragen wollte – Wie groß war das Grundstück in Labes? Und das Pachtland oben, weißt Du das auch noch? Zum Frühjahr werden wir auch unter die Großbauern gehn und uns ein Stückchen Land mit Gemüse und ein paar Kartoffeln bepflanzen. Bohnen, z.B. haben wir nicht einmal schöne gehabt. Alle waren sie schon zu dick. Und ich esse doch Bohnen so gerne. Wo ist Frau G. hingefahren? Wahrscheinlich ins Holsteinische. Soviel ich mich erinnern kann, waren ihre Kinder da. Und Hermann ist immer treu. Was hat bei ihm die Politik jetzt für Aussicht? Grüß ihn von mir auch schön. Haben G.’s auch Radio? Erich ist schon über eine Woche zu Hause. Er hat so sehr unter Erkältungen zu leiden, so wie ich früher. Husten tut er dann, ganz fürchterlich. Nun geht es ihm schon besser. Er ist eben beim Kochen. Das tut er nun mal zu gerne. Ihr werdet essen, was ich koche, erklärt er uns eben. Dabei will er Wirsingkohl, Sauerkohl und Rosenkohl, alles Reste, in einem Topf warmmachen. Oh, oh! Emmy + ich haben schon so gelacht. Den Rosenkohl hatte uns Emmys Vetter gebracht, er hatte natürlich ein Anliegen. Alles geht nur im Tausch. Was wird nun mit unserm Mädel? Ich warte schon so auf Post. Und auch von Dir. Ob die Päckchen alle angekommen sind. Man ist doch immer unruhig. Mußt schnell eine Karte schreiben. – Emmy ist heute in Ohldorf zur Beerdigung gewesen. Unsere Nachbarin ist gestorben. Über 80 Jahre ist sie geworden. In Ohldorf muß man jetzt auch alles zu Fuß abmachen. Nun ist sie müde und durchgefroren und sitzt in der Herdecke. Aber denke Dir, einen hübschen Kranz hatte sie schon bekommen. Mit Lebensbaum, Tannenzapfen und Lärchenbüscheln garniert, sonst Tanne, wirklich hübsch. Erika hat zu Weihnachten ein Alpenveilchen bekommen. Das ist so wunderschön. Dann hat man immer wieder Hoffnung, daß es doch noch wieder werden wird. Was habt Ihr dort für Meinung von Labes. Es sieht doch so aus als wenn die Grenze bleiben wird. Und was wird der Friedensvertrag uns bringen? Ist Horst O. noch bei Euch? Wie ist es bei Euch mit der Heizung bestellt? Hast Du mal was bekommen? Schläfst Du jetzt wieder im Schlafzimmer? An Lisbeth in Stralsund habe ich auch zum Geburtstag geschrieben. War Bernhard schon mal wieder bei Euch? Ich hoffe ja, sie werden mal von sich hören lassen. Hans-Hugo wird sicher genug Arbeit haben. Lydia muss auch wegen der Stromsperre augenblicklich friern. Etwas nachgelassen hat die Kälte seit gestern. Ich war noch garnicht draußen. Einzukaufen ist nicht viel, und das macht Emmy. So, nun habe ich wohl alles berichtet. Ob ich morgen wohl Post bekomme. Heute als ich allein war, kuckte ich ein paar mal hin, aber nichts.
Nun viele Grüße an Tante Lene, Onkel Carl, an Horst Olm wenn er noch da ist und an Bruno, wenn er schon da sein sollte. Hoffentlich!
Herzlichst
Deine Paula.

 

top