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Brief (Transkript)

Erika D. aus Schieder an Annegret S. nach Ost-Berlin am 02.11.1970

 

Schieder, 2.11.70

Liebe Anne, lieber Horst!

Der Termin unseres Kommens rückt immer näher und noch immer hat Uli Zweifel, ob es klappt. Vorgesehen ist die Zeit v. 18.11. – 21.11. am Sonntag, 22.11. wollen wir dann zurück, weil Uli’s Arbeit es nicht anders zuläßt. Ich denke aber, wir können es so als festen Termin ansehen und Ihr Euch schon ein bisschen darauf vorbereiten. An Theater oder Konzert haben wir nicht gedacht, es ist dann abends immer so eine Hetze und besser, wir sitzen und reden. Auch wollen wir Freunde aus Weimar treffen, wissen aber noch nicht, ob sie kommen können, da sie kein billiges Nachtlager finden. Ich wollte leise bei Dir anfragen, ob Du da nicht eine Losung weißt – vielleicht hat Bärbel Platz für 1-2 Nächte, es ist dann alles in der Nähe – aber nur, wenn es sich wirklich machen läßt – ohne große Mühe. In der Zeitung stand von der Eröffnung des Hotel Berlin – ob man da essen gehen kann, fragt Uli an und bittet um Tischbestellung für 18, 19, 20, 21. auch im Moskau; Du bekommst schon wieder Arbeit mit uns!
Die Post geht im Moment ja schnell, und ich freute mich sehr, als das Geburtstagspäckchen kam! Hab’ ganz herzlichen Dank! Auch für Jörg die Sandalen sind da und die Bonbons schon längst von sämtlichen Spielkindern hier verzehrt.
Dein langer Brief traf auch pünktlich ein – über die Näherei müßen wir dann an Hand der Sachen reden, auch ich kann da schön Zeit vertrödeln mit Ausdenken und Hinlegen und zum Schluß packe ich alles ungenaht zurück. – Mich wirst Du nicht als meine eigene Großmutter in Midilänge erleben – hier tragen es die 16-18.jährigen, mit Stiefeln und unter dem Midi oder Maximantel mini-Lendenschurze. Meine Kleider bleiben kurz! Allerdings habe ich für abends einen langen Deko-Samtrock mit Weste, aber das ist nicht auf der Straße anzuziehen. Für den Spitzenstoff habe ich nach wie vor den Vorschlag eines Hemdblusenkleides, da dieses zu vielen Gelegenheiten paßt, allerdings kein offener Reverskragen, sondern ein runder Kragen am Hals mit flachen Ecken (!!) falsche Knopfleiste und Reißverschluß hinten. Siehe nicht so schöne Zeichnung. Gürtel mit schöner Schließe oder Schleife, loses Taftunterkleid nach gleichem Schnitt. Der Hosenanzug ist nicht so ideal, weil er für Theater + Konzert und dann müßtest Du einen eleganten Abendmantel haben. Hast Du Deine Malimosilastikhose an den Knien mit Taft unterlegt? Das verhindert schnelle Beulenbildung, Taft an den Seitennahten feststeppen in der gleichen Stoffgröße wie das Hosenbein.
Sigrid schrieb mir ganz begeistert von den Sachen für Gudrun, nun habe ich noch etwas ganz Feines, ein rosa Chanelkostüm, ganz neu, Gr. 36, das soll die Kleine noch haben – auch sind noch andere Sachen im petto, nur ist es mit der Stickerei so mühsam, den letzten Desinfizierungstermin hatte ich verpaßt und nun habe ich hier große Kartons voll liegen. – Ist eigentlich ein hellgrüner Pulli angekommen? Jetzt ist eine blaue Helanca-Jacke und ein heller Rock unterwegs – der Rock muß gewaschen werden, vielleicht kann Bärbel ihn für Susanne verwenden. Die blaue Jacke paßt bestimmt zum weißen Jersey-Rock – laß ihn mal in der Bügelanstalt dämpfen ehe Du ihn bearbeitest. Die Leute wollten alles schon in die Lumpensammlung geben, ich kam gerade dazu! Hoffentlich ist Rita nicht böse, daß ich solange nicht schrieb, sie soll auch noch Post bekommen, aber heute reicht es mir erstmal. 3 Briefe sind schon fertig, die Kinder stellen die Bude auf den Kopf, ich bin schon ganz kribbelig.
Bitte noch eins, schicke doch bitte 100 g. Wolle an Frau Bärbel S. [Adresse] und falls Du eine Übernachtungslösung hättest, wäre es lieb, Du schriebst sie dorthin. Sie haben es mal nötig, aus dem Trott herauszukommen, sind aber in ihren Mitteln sehr knapp + deshalb auch die Anfrage bei Dir + Bärbel. Ich mache Dir wieder viel zu viel Arbeit, hoffe aber, Du nimmst es mir nicht übel. Nun sei ganz lieb mit Horst gegrüßt bleib vor allem gesund bis wir kommen und laß noch mal von Dir hören. Deine Pimpi.

 

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