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Brief (Transkript)

Ute B. aus Ulm an Annegret S. nach Ost-Berlin am 12.03.1990

 

12.3.90

Meine liebe Anne!

Sehr herzlich bedanke ich mich bei Dir für Dein Geb.päckchen. So zahlreiche Überraschungen purzelten aus der Verpackung, über die ich mich sehr freute. Sei herzlich bedankt für die beiden Bücher. Die „Leipziger Denkmale“ sind toll und weisen darauf hin, daß man sich wirklich für die alte Heimatstadt mal wieder Zeit nehmen sollte. Nach fast 30 Jahren ist wirklich manches fremd geworden. Na, und „Wegscheide“ scheint ja dazu in diese Richtung zu weisen, denn – ob man es wahrhaben will oder nicht – die Rente naht. Ich meine, von Jork abgesehen, habe ich immer versucht auf eigenen Beinen zu stehen und nun spare ich etwas, denn mit 60 möchte ich nicht erst aufhören zu arbeiten. Ich habe es manchmal ziemlich satt, weil man für den Halbtagsjob viel zu viel machen muß. Vor Weihnachten habe ich 4 Monate die Arbeit von einer Ganztags-MTA + zusätzlich 8 Wochen Urlaub einer Halbtags-MTA machen müssen, u. da muß man spritzen! Nun macht man das ja eigentlich ohne darüber zu reden – ich bummle das in Freizeit ab, was zuviel war, das kommt meiner Mutti zu gute. Aber das Ärgerliche daran ist, daß die damals kranke Kollegin nun einfach gekündigt hat. Nun geht das Theater weiter. Dieser Beruf ist offenbar Mangelware – auch Arzthelferin. Unser Hausarzt ringt die Hände, trotz Anzeige laufend in Zeitungen ist niemand zu kriegen. Freilich, Millionär kann man nicht werden! Aber was schwafele ich denn … Die hübschen Spitzenbänder und die Tischkarten gefallen mir sehr. Vielen Dank natürlich auch für Deinen lb. langen Brief. Ja, bes. für Deinen Trip nach Italien wünsche ich Dir alles Gute. Italien zum 1. Male ist bes. eindrucksvoll, und man wird es nie vergessen. Wir waren sehr lange nicht dort, aber zum Geb. bekam ich 1 Woche Sizilien von Jork geschenkt, und da solls am kommenden Wochenende hingehen. Ich freue mich sehr, bekomme aber sicher noch Reisefieber, weil ich solchen Urlaub gar nicht mehr gewöhnt bin. – Berlin kommt schon auch mal wieder dran, aber dieses Jahr nicht. Wir müssen im Sommer zu einem Geb. nach Hamburg und da will ich versuchen, einen Abstecher nach Bad Doberan u. Rostock zu machen. Die Teilnahme am Klassentreffen in Lpz. habe ich schon abgesagt, es wird zuviel, und man erwartet ja nun doch, daß alles längerfristig so bleibt. Jork war zwar neulich mal am Brandenburger Tor u. kam enttäuscht wieder. Offensichtlich hat bei uns das Fernsehen den Eindruck erweckt, als könne man auf breitester Straße durch das Denkmal flankieren. – Ja, wählt nur alle gut überlegt – es ist ja für Euch u. uns wichtig, wir sind gespannt u. hoffen, daß alles gut weitergeht. Interesse ist hier bei einheimischen Schwaben – weitab von der Grenze – überhaupt nicht vorhanden. Traurig! …

Liebe Grüße an Dich – auch von Mutti u. Jork – von Deiner Ute.

 

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