Nach Zeitraum suchen

von 
bis 
SUCHE ZEITRAUM

Brief (Transkript)

Ute B. aus Ulm an Annegret S. nach Ost-Berlin am 14.11.1967

 

Ulm, d. 14.XI. 67

Meine liebe Anne!

Du glaubst gar nicht, wie ich mich mit Dir schon tagelang beschäftige, weil ich Dir schreiben will (und immer wurde es wieder verschoben!). Ja, hab zunächst mal recht vielen Dank für Deinen langen Urlaubsbrief, über den ich mich wahnsinnig gefreut hatte. Wenn ich Dir sage, daß ich wirklich tief enttäuscht war, daß es mit einem Treffen in Leipzig nicht geklappt hat, so mußt Du das verstehen. Natürlich war die Angina zu verdammen, die sich ja leider nicht ordnungsgemäß einplanen läßt. Hoffentlich geht es Dir nun wieder gut und nächstes Jahr hoffen wir wieder weiter. Aber wie es so ist, ich hatte eben zu fest mit Dir gerechnet, weil Du Liebe ja alles Menschenmögliche möglich machst.
(Bei Bärbel ist das anders, daß sie nicht kann wie es ausgemacht war, hat mich recht kalt gelassen). Aber einen ganz reizenden Besuch – sozusagen eine Entschädigung hatte ich – , nämlich Frau S., (Ursula H.) hatte ich. Irgendwie ist zwischen uns ein recht netter Briefwechsel entstanden u. so wollten wir uns wiedersehen. Sie kam aus Halle herüber, wollte zuerst ihre beiden Töchter mitbringen, aber das Wetter war schlecht geworden u. so hatte ihr Mann das Kinderhüten übernommen. Ja, Neuigkeiten habe ich da zwar nicht erfahren, aber man hat wiedereinmal in Erinnerungen geschwelgt. – Diesmal hatte ich sogar einen Sprung Zeit für die Fichtestr., O.M. war zu einer Tagung, aber offensichtlich freute sich Dr. B. auch über mein Erscheinen. In den Labors habe ich mich nicht erst herumführen lassen, die neuen Leute überall interessieren mich nicht, aber abgewirtschaftet sah das ganze Haus aus, na, ja seit 10 Jahren ist da eben kein Maler mehr drin gewesen. Das neueste ist wohl, daß jetzt noch ein Dipl. Biologe da ist u. daß B. mit Sekretärin jetzt vorn in Deinem Zimmer sitzt. Nur einmal eng!! Jetzt möchte ich ja nicht unbedingt mehr den Vorlesungspumpel machen, aber vor 10 Jahren waren wir doch dort glücklich, oder?
Das war also meine letzte Reise, während Jork traurig arbeitend zu Hause saß!
Vorher verbrachten wir 6 Tage in den Allgäuer Alpen bei herrlichstem Herbstwetter. Wir sind tüchtig gewandert u. gekraxelt u. wurden durch fantastische Fernsicht u. wundervolle Gegend belohnt – sogar Edelweiße sahen wir noch. Bemerkenswert war ja, daß gerade das Allgäu sozusagen unsere Hausberge sind – 2 Stunden mit dem Auto zufahren – und daß wir dort in jeder Beziehung glücklich waren, wenn ich mich auch recht anstrengen mußte, um mit Rucksack Jork hinterher zu kommen. Die Dias sind auch großartig geglückt. Unseren eigentlichen Urlaub verbrachten wir ja im Juni schon 14 Tage an der ital. Riviera, dort enttäuschte uns aber das Wetter, allerdings kamen wir auf dieser Reise auch nach Genua, Florenz u. Pisa u. lernten so die sehenswerten Städte kennen.
Und zwischen diesen Reisen gab’s halt viel, viel Besuch im Sommer. Als Höhepunkt galt, als meine Eltern im Juli hier sein konnten u. dazu die Geschwister kamen (Onkel Hermann, Tante Lotte u. Vatis Bruder). Es war manchmal ganz schön turbulent, aber gerade das gefällt mir und jetzt in den Wintermonaten ist das Gegenteil oft grausig eintönig. Aber jetzt kommen ja erstmal die ganzen Weihnachtsvorbereitungen, in die ich mich mit ganzer Kraft stürzen werde, obwohl ich die meisten Geschenke noch gar nicht weiß.
Ja, sonst passiert bei uns eigentlich kaum wesentliches. Nach wie vor genießen wir abends unsere Platten, das Radio u. auch gelegentlich das Fernsehen. Das Farbfernsehen ist natürlich der neueste Schwarm, die Bilder sind aber auch zu schön. Nur wird im Moment zu wenig farbig gesendet u. die Apparate mit 2000,- DM sind für uns nicht diskutabel, vorallem wenn wiedermal Autopläne geschmiedet werden. Warum ich eigentlich den Führerschein habe, frage ich mich manchmal, denn ich komme fast gar nicht dazu zum Fahren. Das ist der Nachteil, wenn die Autos immer schöner und größer werden. –
Über Andreas Briefe freue ich mich auch immer sehr, sie kommen trotz allem eigentlich ganz regelmäßig. Die Arme mußte ja recht tapfer sein, um alles – samt der Gallenoperation – über sich ergehen zu lassen. Im letzten Brief schrieb sie, daß sie Dich gar nicht mehr erreichte. Kannst Du Dich evtl. mal melden?
Übrigens war ich jetzt ½ Woche in Stuttgart als Jork auch unterwegs war. Dort wohnt doch meine Dorle jetzt mit ihrer Mutti zusammen u. die gemeinsamen Tage waren wirklich prima.
Nun möchte ich recht viele Grüße an Eure Familie, an die Stenzerei u. besonders an Dich richten! Laß es Dir recht gut gehen, bleib gesund und schreib mal wieder!

Deine Ute u. Jork läßt auch grüßen.

 

top