4.5.61

Meine liebe Anne!
Ein kurzer Kartengruß soll Dir nun endlich meine Ankunft in der neuen Heimat mitteilen. Weißt Du, ich muß mich mal wieder entschuldigen, daß ich mich erst jetzt melde. Vergessen habe ich Dich keineswegs, es hatte nur außer dem Zeitmangel auch folgenden Grund, daß Jork bei seinem Möbelkauf – übrigens natürlich ganz toll – doch etwas zu weit gegangen war. Nun mußten wir im restlichen Monat ziemlich sparen. Da habe ich halt meine ganzen Postsachen verschoben und nur regelmäßig heim geschrieben. Aber gelt, Du bist mir deshalb nicht böse, und mit der Zeit wird sich unser Briefwechsel schon einrichten. Bis jetzt bin ich außer meiner Hauswirtschaft noch nicht tätig. Ulm ist eben doch ziemlich klein und da bietet sich in meinem Fach nicht so ganz was Richtiges, am meisten werden überall Stenotypistinnen und Putzfrauen gesucht. Na, ganz so eilig habe ich es ja Gott sei Dank nicht und mit der Zeit kümmere ich mich mal drum, jetzt habe ich erstmal meinen lieben Mann tüchtig verwöhnt und mich kleinbissel ausgeruht, denn die vielen Wege in Leipzig hatten unheimlich viel Nerven gekostet, denn ehe in der Woche nach Ostern alles klappte, drohte noch alles schief zu gehen. Und da weiß ich jetzt noch nicht, wieso ich das Wunder verdient hatte, daß sich alles zum Guten gewendet hat.
Ja, liebe Anne, wenn es Deine Zeit erlaubt, dann schreibe mir bitte, ich würde Dich ja so gern zu Besuch einladen, das kannst Du glauben. Das nächste Mal mehr.
Sei für heute recht herzlich gegrüßt von Deiner Ute + Jork.