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Brief (Transkript)

Simone H. aus Ost-Berlin an Volker S. nach West-Berlin am 28.05.1983

 

Allerliebster kleiner Volker!

Heute ist Samstag, 28.5.83. Wie spät mag es wohl sein? sicher 23.00 Uhr. Schläfst Du schon? Es war wunderschön als Du mit Deinem Kopf auf meinem Schoß geschlafen hast. Ich habe einfach dagesessen und war glücklich – und war traurig, traurig mich auf ein paar Minuten (nein 4 Tage) konzentrieren zu müssen. Alle Kräfte anzuspannen – solange als möglich wach zu sein, um Dich zu sehen – anzuschau’n. Immer wissen: nur noch zwei Tage, noch eine Nacht, noch eine Stunde, ein letztes Mal durch Dein Haar streicheln. – ein letzter Blick, der mir noch mit den Tränen davon schwimmt … Was ist das für ein System, daß uns so quält, uns das Streicheln (- jeden Tag) unmöglich macht, daß uns zwingt Kilometer-Stunden zu fahren für einige glückliche Augenblicke, wo wir doch in derselben Stadt leben? Wie können Menschen wagen, andere Menschen festzuhalten - nein einzusperren, sie leidenzulassen, warum macht es Ihnen Spaß zuzusehen, wie man daran zerbricht? Dies ist eine Diktatur - die Diktatur von Faschisten, die jedes Jahr zum Maskenball erklären und als friedliebende Sozis und Kommunisten verkleidet mit ihren dazugehörigen Parolen erscheinen. Dieses Jahr muß Marx dafür herhalten!!! Ob er das gewollt hat? Warum greift er nicht ein, jaja, weil es zu einfach wäre, aber wer sonst könnte es schaffen. Wir hier sind alle zu feig, denn jeder hängt an seinem bischen, armseligen, [… weitere Briefseite fehlt]

 

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