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Brief (Transkript)

Paul K. aus Ost-Berlin an Georg K. nach West-Berlin am 23.09.1968

 

Berlin, 23.9.68.

Liebste Kinder!

Ihr habt mir die schönsten Stunden meines Lebens bereitet. Ich bin Euch ja so dankbar dafür!
Ihr lieben Drei wart so so um mich besorgt, das es mir an nichts gefehlt hat. Ich konnte schalten und walten wie es mir am bequemsten war. Konnte gehen und kommen wie es mir beliebte. Ihr könnt es garnicht ermessen wie schön es für mich war, einmal völlig abzuschalten und ohne Sorgen zu leben, geborgen zu sein bei Euch.
Die schönen Tage sind nun leider vorbei. Ich kann es noch gar nicht fassen. Immer wieder schweifen meine Gedanken zu Euch zurück. Immer wieder tanzen vor meinen Augen die schönen Dinge die ich sehen konnte und von denen ich auch gelegentlich naschen durfte.
Und wenn ich nun hier wieder die trüben Tassen, die schlecht gestalteten Schaufenster und schmutzigen Waren sehe dann überkommt mich ein Ekel das ich am liebsten sofort wieder umkehren möchte.
Aber leider, leider – geht das nicht. Ich kann und darf es nicht. Die Kinder würden sich eventuell früher oder später einmal damit abfinden aber un[sere] liebe Mutti würde das nicht überleben. Trotzdem die Liebe wußte das ich bei Euch in guten Händen bin, machte Sie sich doch große Sorge um meine Rückkehr. Ja, so liebt sie ihren Vati.
Ja, und nun bin ich wieder da, und alles ist wieder gut und die Freude riesengroß. Das Herzen und Küssen wollte kein Ende nehmen. Bis spät in die Nacht hinein ½ 3 mußte ich erzä[hlen] von Hierchen, vom Dicken von Klaus und Angelika, aber auch von Lotti, Günther und den Kindern. Alles, aber auch das Geringste wollten Mutti und die Kinder wissen. Ich durfte nichts verschweigen. Zwischendurch wurden Bananen gegessen und Scho[kolade] geschleckert sowie die mitgebrachten Geschenke begutachtet.
Die Freude war allen von Gesicht und strahlenden Augen abzulesen.
Alle Gegenstände die ich bisher aus dem goldenen Westen abgesandt habe sind schon eingetroffen außer das, mit den getragenen Sachen das der liebe Dicke am Donnerstag von Tegel aus abgesandt hat. Nun, auch das wird noch eintrudeln. Weil ich mich so ganz doll darauf freue.
Wenn ich geahnt hätte, das ich beim durchlaufen der Zollstelle so gut wie garnicht kontrolliert würde, dann, hätte ich noch sonst etwas mitnehmen können. Es ging sehr schnell. Zollschein abgeben, Fragen, haben [sie] alles eingetragen was sie mitbringen, Antwort von mir Ja, na dann öffnen [sie] bitte die Tasche. Ein kurzer Blick des Zöllners - - ist erledigt. Tasche zu, [und] nach hause. Das Herz hat umsonst gepuppert. Den Koffer brauchte ich überhaupt nicht zu öffnen. Ich war froh!
Leider merkte ich allzu frühe das ich wieder in der Heimat war. Ich mußte nur eine geschlagene halbe Stunde warten bis der nächste Bus kam um mich nachhause zu bringen. Ja Ostberlin ist doch ein Dorf.
Nun bin ich wieder hier und muß schlucken was mir geboten wird.
Jedenfalls waren alle froh das Vati wieder zu hause ist.
Und wir alle bedanken uns herzlich für die sehr gute Gastfreundschaft die ihr Lieben mir geboten habt und für all die schönen Dinge die ich mitnehmen durfte.

Wir küssen Euch tausendmal und verbleiben mit den herzlichsten Grüßen und den besten Wünschen
Eure lieben Eltern und Geschwister
Mutti, Vati
Edeltraudt und Pauli.

Viele herzliche Grüße auch an Lotti, Günther, Petra und Heike
Besonders herzliche Grüße an Klaus und Angelika der wir recht baldige Genesung wünschen.

 

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