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Brief (Transkript)

Herbert aus West-Berlin an Walter G. nach Kirchheim am 02.06.1953

 

Berlin, den 2.Juni 1953

Lieber Walter!
Wir haben Deinen Brief gestern mit großer Freude erhalten. Wir haben uns sehr darüber gefreut. Von Deiner Seite hatten wir in Bezug auf Arbeitsbeschaffung keine Hilfe erwartet. Noch kann ich Dir über meinen neuen Aufenthaltsort nichts sagen; aber dennoch will ich Dir über meine Berufsausbildung berichten.
Zunächst muß ich Dir aber mitteilen, daß ich heute im Termin als Bürger der Bundesrepublik aufgenommen worden bin. Ein Anerkenntnis nach den einzelnen Gruppen gibt es hier nicht mehr. Diese Arbeit soll den Ländern obliegen. Heute wurde uns in der Losung zugerufen: „Ich bin bei dir, spricht der Herr, daß ich dir helfe“ Jer. 30.11. Du kannst Dir vorstellen, daß ich mit diesem Zuspruch ohne Sorgen zum Termin gefahren bin.
Nun zu meiner Berufsausbildung: von 1941 bis 1943 habe ich bei der Volksbank Greifswald gelernt. Ich habe den Kaufmannsgehilfenbrief (Bankfach). Vom 1.5.1947 – 30.4.1950 war ich Inspektor-Anwärter bei der Reichsbahn. Die Vollprüfung zum gehobenen mittleren nichttechnischen Reichsbahndienst habe ich im Mai 1950 abgelegt. Die Bescheinigung darüber hab’ ich in Händen. Dann bin ich auf Grund meiner buchhalterischen Vorkenntnisse in der Hauptkasse der Rbd Greifswald geblieben. In der Ostzone wurde 1951 ein neues Rechnungswesen bei der Reichsbahn eingeführt. Von Beginn der Umstellung bis zu meiner Entlassung war ich Leiter der Finanzbuchhaltung (früher Hauptkasse) bei der Rbd. Zuletzt war ich sogar stellvertretender Hauptbuchhalter für den Rbd-Bezirk Greifwald. Spezialkenntnisse habe ich im Kassenwesen. Nach den früheren Begriffen war meine letzte Einstufung die eines Amtmannes. Es ist mir natürlich vollkommen klar, daß ich solch eine Stelle so schnell nicht bekomme. Für mich ist es ja nur wichtig, daß ich überhaupt eine Arbeit bekomme, um etwas zu verdienen. Ich hoffe, daß Dir diese Angaben genügen.
Du hast schon recht, das Lagerleben dürfte für uns nicht so lange dauern. Aber in dieser Beziehung können wir wohl erst drüben etwas unternehmen. Lieber Walter, schicke uns hier bitte nichts her. Die Verpflegung ist gut. Um unseren Kleinen etwas Obst zuzukaufen, habe ich genügend Geld. Mit Gebrauchsgegenständen und Kleidung möchte ich mich in Berlin nicht unnötig belasten; denn wir haben jeder einen Kinderwagen zu schieben. Was wir drüben brauchen werde ich Dir mitteilen.
Wenn unsere Kinder gesund bleiben, dann bin ich vielleicht in 14 Tagen schon in Westdeutschland. Sobald ich weiß in welches Lager ich komme, werde ich Dir von hier noch schreiben.
Doch nun will ich schließen. Wir haben in diesen Tagen immer wieder die starke führende Hand des Herrn spüren dürfen. Wir sind der festen Zuversicht, daß er uns auch weiterhin durchhilft. Recht herzliche Grüße soll ich Dir von meiner Frau und den Kleinen bestellen.
Der Herr segne Dich
In treuer Verbundenheit
Dein Herbert.

 

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