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Brief (Transkript)

Frau W. aus Ost-Berlin an Christine M. nach Elmshorn am 26.09.1989

 

Berlin, 26.9.89

Liebes Frl. M.!

Sehr erfreut waren wir über Ihren Brief. Besten Dank auch für die schöne Urlaubskarte. Italien muß wunderschön sein landschaftlich und auch architektonisch. Wir kennen es ja nur durch das Fernsehen ein Glück daß es dieses gibt ohne das Fernsehen wären wir noch ärmer dran und man könnte uns noch mehr belügen als dies ohnehin schon der Fall ist. Immer mehr Unwahrheiten treten hier bei uns zutage und das ist gut so, daß endlich die Bevölkerung ihre Kritik laut werden läßt wenn auch noch zaghaft denn es bleibt nach wie vor gefährlich. Berlin ist voller Spitzel und Angehöriger der Staatssicherheit und die sind zZ. überall man erkennt sie aber die sind jung. Rotzlöffel die nichts anderes gelernt haben und abgerichtet sind wie Bluthunde um alles zu vernichten die eine andere Meinung haben als staatlich vorgeschrieben. Wir sind gespannt auf das was noch auf uns zu kommen wird, denn irgend etwas muß und wird geschehen es fragt sich bloß was. Unsere Machthaber bangen um ihr schönes Leben welches sie sich auf Kosten der hier in der DDR lebenden Menschen die hart arbeiten müssen für ihr Geld welches nichts wert ist mit allen Mitteln erhalten können. Sie sind trotz allem was in letzter Zeit bei uns läuft nicht bereit die Schuld bei sich zu suchen sondern, sie versprühen weiterhin ihren Haß und Schuld sind immer die anderen. Wir aber sind der Meinung einem Staat welchem die Jugend wegläuft der sollte lieber einpacken. Unsere Generation hat er ausgebeutet und ihr jegliche Freiheit und die Welt vermauert. Für das bischen was wir in unserem langen Arbeitsleben erreicht haben mußten wir stets hart arbeiten, streiten und kämpfen. Privates Leben wurde zerstört durch vielerlei Verbote. Ich selber habe jetzt nach einem halben Jahr Lauferei erreicht daß ich meine Rente 1 Jahr früher bekomme und nicht nach 38 Jahren harter Arbeit auf Grund meiner kaputten Wirbelsäule abgeschoben werde wie ein Hund. Ich habe denen klar gemacht daß dies möglich sein muß denn bei den Bonzen war dies immer möglich und das kannte ich ja aus 38 Jahren praktischer Erfahrung und ich habe das erreicht es hat viel, viel Nerven gekostet. Provokatorisch habe ich jetzt einen Paß beantragt für die BRD mit der Begründung das Grab meiner Schwester in Düsseldorf zu besuchen, da mir die Teilnahme an der Beerdigung im April 86 verweigert wurde. Ich bin gespannt was daraus wird ich hoffe da ich ja nun offiziell als Rentner anerkannt bin auch die Reisepapiere erhalten werde Nun ja da heißt es nun wieder warten mein nächster Termin ist der 15.10. bis dahin haben sie Zeit mich zu beschnüffeln. Ja Frl. M. in diesem Stil könnte ich nun ein ganzes Buch schreiben, aber ansonsten geht es uns soweit gut. Wir müssen das Beste für uns heraus holen. Ihnen alles Gute, bleiben Sie gesund

Herzlichst
Fam. W.

 

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