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Brief (Transkript)

Volkmar S. aus Eisenach an Klaus nach Gauting am 16.07.1989

 

Eisenach, 16. Juli 1989

Lieber Klaus und Familie!

Lieber Ulrich und Familie!


Allem voran bitte ich wieder um Nachsicht für diesen Maschinenbrief mit Durchschlag, doch aus Zeitgründen und um Euch alle gleichzeitig mit neuen Informationen zu versorgen ist das die zweckmäßigste Form.

Aus Deinem Brief, lieber Klaus, vom 25. Juni haben wir von dem vollzogenen Umzug Euerer Mutter in das Wohnheim erfahren und nun wollen wir nur gemeinsam mit Euch wünschen, daß sie die anfänglichen Eingewöhnungsprobleme allmählich überwindet.
Eine andere Lösung gab es ja nicht und sicher war der Zeitpunkt nach den Wochen in Norwegen auch völlig richtig gewählt. Wir haben in diesen Tagen oft an Euch gedacht, denn es war doch für Euch alle eine schwierige Situation mit inneren Belastungen. Inzwischen habt Ihr wohl auch die Wohnungsauflösung hinter Euch und Ihr könntballe etwas ruhiger in die Zukunft blicken. Wahrscheinlich werden nun regelmäßige Besuche in der [Straße] neben den telefonischen Kontakten Euere Familienprogramme mit bestimmen.
Ich hatte sofort ein paar Grüße an Tante Dorette geschickt und sie wird diese ja zumindest im Augenblick auch hoffentlich als freundliche Geste empfunden haben.

Die nun 96-jährige Tante Lucie erlitt einen leichten Schlaganfall und kam deshalb kurz nach ihrem Geburtstag in ein Krankenhaus. Hille und ich wurden telefonisch darüber unterrichtet durch Norma H. (eine in Berlin-Lichtenberg lebende über siebzigjährige entfernte Verwandte aus der Linie Zahl/Altlandsberg, die noch zu den regelmäßigen Besuchern bei Lucie gehört) und wir waren schon darauf vorbereitet, daß Lucies Lebensweg endet, doch gestern berichtete mir Norma am Telefon, Lucie sei aus dem Krankenhaus entlassen und habe Aufnahme in einem Pflegeheim gefunden. Sollte sich ihr Zustand weiter stabilisieren und wenn Besuche möglich sind, dann würde ich womöglich nur mal sonnabends für ein paar Stunden nach Hannover fahren, sofern mir das genehmigt wird.

Es war gut, dass ich während meines schönen Aufenthalts bei Euch ein paar Ruhetage genießen konnte. Seitdem steigerten sich nämlich unsere Belastungen von Woche zu Woche.
Erst einmal haben wir nach Pfingsten unseren langen Holzzaun neu gestrichen und dafür brauchten wir schon einige Freizeitstunden. Bolko und Antje hatten in dieser Woche frei und starteten mit Kraxen und Bergzelt zu einer Rennsteigwanderung, die sie auch mit Bravour in vier Tagen (120 km) bewältigt haben. Sie wurden dann sonntags von uns in Neuhaus abgeholt.
Schon auf der Fahrt von Neuhaus nach Eisenach merkte ich, daß die Abgasanlage unseres Trabant nicht in Ordnung war. Ich mußte also zu Hause bauen und stellte einen Riß im Abgaskrümmer fest. Zum Glück hatten wir einen Werkstattermin für den 13. Juni.
Am 30. Mai hatte unsere Anke ihr Examen in Erfurt und leider hat sie das an diesem Tag nicht gepackt. Abends kam dann noch eine Hiobsbotschaft über einen Fahrradsturz von Waltrauds Schwester Ursel (Eisenach/Westplatz), die im Kirnitzschtal bei Bad Schandau an ihrem vorletzten Urlaubstag so unglücklich gestürzt war, daß sie über die Krankenhäuser Sebnitz und Neustadt in die Med. Akademie Dresden gebracht werden mußte, um dort in der HNO-Klinik eine Jochbeinfraktur behandelt zu bekommen. Außerdem war das linke Schultergelenk ausgekugelt. Hille war nun die erste Bezugsperson in Dresden, sie informierte uns fast täglich über das Ergehen und wir besorgten hier alles weitere (Benachrichtigung der Töchter, Betreuung der 83-jährigen Oma, Besorgung des Gartens und weitere Unterbringung des Hundes). Es ging also ganz schön rund und aus irgendwelchen Gründen baute meine liebe Frau ab, so daß ich am 2. Juni morgens den Arzt holen und Waltraud anschließend in die Poliklinik bringen mußte. Über Wochenende hat sich dann aber alles wieder eingerenkt.

Die Werkstatt hatte natürlich für unseren Trabant keinen Abgaskrümmer (Engpaßersatzteil!) und ich mußte alles mögliche anstellen, um mir so ein Ding zu beschaffen. Mit einem neuen Trabant ist doch noch nicht zu rechnen, in Eisenach werden jetzt die Bestellungen vom Juli 1974 (!) ausgeliefert und unsere Bestellung haben wir im Juni 1976 aufgegeben. Der alte muß also noch zwei Jahre mitmachen und nach der jetzt erfolgten Überholung (einschließlich Abgaskrümmer) wird er das auch schaffen.

Ursel ist am 14. Juni in Dresden entlassen worden und sie wurde am gleichen Tag von ihrem Schwiegersohn (wohnhaft in Oranienburg) mit dem Trabant nach Hause gebracht. Sie ist jetzt hier weiter in ärztlicher Behandlung (auch Augenarzt) und die Bewegungsmöglichkeit des linken Arms macht Fortschritte.

Mit dem 15. Juni begann unsere „Fensteraktion“. Ich hatte Euch doch davon erzählt, daß wir für das ganze Haus neue Fenster erwarteten. Diese konnte ich in Schönau (Richtung Gotha) selbst mit dem LKW abholen und Waltraud begann dann unmittelbar mit der Oberflächenbehandlung. Das war recht zeitaufwendig, aber Waltraud unterzieht sich solcher Mühsal mit großer Energie. Mir oblag dann die Lockerung der alten Fenster, damit nicht zuviel Putz und Mauerwerk beschädigt wurde. Die Bodenfenster habe ich dann auch selbst schon eingesetzt und der Tischler wunderte sich, wie fachmännisch ich das hingekriegt habe. Für das Einsetzen aller anderen Fenster mußte ich dann allerdings zwei Urlaubstage opfern, doch wir hatten Glück mit dem Wetter und es ging alles reibungslos. Nachdem der Tischler fertig war, blieben mir die Restarbeiten. Zuerst galt es , die Fensterbleche anzubringen. Dazu hatte ich mir schon rechtzeitig Alublech besorgt und das Abkanten konnte ich in unserer Lehrwerkstatt selbst ausführen. Das war eine große Erleichterung.
Abendelang verbrachten wir dann mit dem Ausschäumen der Fugen von innen und außen, mit dem Ausbessern der doch nicht ganz vermeidbar gewesenen Putzschäden (Kantenaufbau) und mit dem weiteren Auftragen von Holzschutzlasur. Es brauchte alles seine Zeit.
Waltraud verzweifelte fast über dem ständigen wiederholten Saubermachen, andererseits wollte sie natürlich die mit der ganzen Aktion verbundene Verschmutzung aller Stockwerke in Grenzen halten.
Nach dem Einbau der Fenster haben wir uns dann sofort mit der Renovierung von Ankes Zimmer und des Wohnzimmers befaßt, was seit vorgestern so quasi beendet ist.

Zwischendurch hatte ich durch Betreuung einer bulgarischen Spezialistengruppe auch noch etliche Freizeitstunden zu opfern, was zwar eine angenehme Abwechslung war, aber auch den Fortgang der Arbeiten verzögerte. Das Betreuungsprogramm sah auch eine Fahrt nach Erfurt vor und dadurch hatte ich zum ersten Mal Gelegenheit, einen Wartburg 1.3 zu fahren. Das war ja doch ein Unterschied zu dem bisher gewohnten Zweitakter!
Dann plagte mich ein paar Tage ein Hexenschuß und ich hatte größte Schwierigkeiten beim abendlichen Tapezieren. Zum Glück hat sich das wieder gegeben.
So nach und nach sind wir also mit den Zimmern fertig geworden und mit Bolkos Hilfe konnten gestern die Lautsprecherboxen wieder mit der Antenne verbunden werden.

Waltrauds Schwester Hanne-Lore/Lichtenstein war seit Mitte Juni mit Mann und dreijährigem Enkel hier in Tabarz im Urlaub, erlitt dort eine Herzattacke und mußte nach Friedrichroda ins Krankenhaus. Also Waltraud mit geliehenem Trabant (unser war gerade nicht fahrtüchtig) dorthin zum Krankenbesuch. Am Wochenende dann noch einmal dasselbe Spiel.
Könnt Ihr Euch vorstellen, was da alles zu verkraften war? Dabei will ich nur noch erwähnen, daß wir bei unserem Möbeltransport innerhalb des Hauses das Telefon heruntergerissen hatten, die Post musste deshalb zur Reparatur kommen. Die Tischler hatten mit ihrer Handkreissäge einen Kurzschluß verursacht, dafür brauchten wir den Elektriker und um das Maß voll zu machen, mußte beim Gasdurchlauferhitzer ein Magnetventil ausgewechselt werden.

Am 6. Juli hat Anke nach nochmaligem Anlauf ihr praktisches Examen bestanden, sie bleibt nun noch zwei Wochen in Erfurt und dann haben wir sie wieder zu Hause. Ab September beginnt sie in der Frauenklinik. So schnell sind die drei Jahre vergangen, daß wir es kaum glauben wollen.

Nun will ich meinen Bericht langsam beenden. Mit Bolko und Antje wanderten wir heute dreieinhalb Stunden auf dem Rennsteig, Anke ist von den Eltern ihres Freundes für drei Tage mit in den Thüringer Wald genommen worden. Allmählich wird es bei uns wieder normal, unseren Urlaub treten wir diesmal erst Ende September an.

Euch allen zusammen viele herzliche Grüße!

 

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