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Brief (Transkript)

Alfred S. aus Pirna an Rudolf S. nach Mühlheim/Ruhr am 27.12.1949

 

(10a) P i r n a , den 27.Dezember 1949,
[Straße und Hausnummer]

Lieber R u d o l f und Familie!

Am Heilig Abend früh erhielten wir Eure Weihnachtsgrüße, die ich nun nachträglich noch gern erwidere. Damit verbinde ich gleich unsere besten Wünsche für ein gutes neues Jahr, das Euch die Heimat einmal immer mehr ersetzen aber auch wieder näher bringen möge. Die politischen Gehässigkeiten verhindern nur die Einigkeit Deutschlands aber einmal wird es doch wieder werden, daß die Grenzen fallen und Friede und Vernunft in den Menschen einziehen, jedenfalls ist dies zumindest unser aller Wunsch.

Die Feiertage sind nun vorüber, wir haben sie friedlich im Familienkreise verlebt. Am Abend zur Bescheerung haben wir viel an Euch und dieKinder gedacht, insbesondere als wir nun doch Euer Päckchen öffneten und die süßen Überraschungen erlebten. Seid nun alle vielmals bedankt, der Inhalt gab dem Abend gerade so recht den weihnachtlichen Charakter. Oma S. war allerdings nicht da. Sie kam dann am 1.Feiertag. Zum Abend hatte Minna bis um 18.30 auf der Mangel zutun. Dann hatten die Untermieter Oma zu sich eingeladen und damit war ihr der Abend vertan. Oma hat Ihren Kaffee Ihr Anteil Palmin und auch von des Schweines Rücken erhalten und es ist alles gut. Inzwischen habe Ihr hoffentlich auch unser kleines Weihnachtspäckchen und die Sendung von Oma erhalten. Der Zonenaustausch ist damit sichergestellt. Ich hoffe, daß Du doch für ein Buch auch einmal Muse hast und möchte Dir behilflich sein, wieder einen kleinen Schatz zu sammeln. Nur muß man mit dem Gelde rechnen.

Bei uns war es mit den Geschenken ganz bescheiden, aber wir hatten einen gut gedeckten Tisch. Die Zuteilungen sind besser geworden, es gab Fleisch, Lotte konnte für 10,- DM auch ein Stück Butter kaufen. Dazu kam Euer Palmin und am Abend überraschte uns noch der Spec was wollten wir noch mehr? Zum Backen ist Lotte auch gekommen, sie bekam doch trotz meiner ausgebliebenen Bestellung etwas Öl und so war die festliche Stimmung schon gegeben. Sparsam haben wir von Euren Kerzen aufgesteckt, Die Krippe steht dieses Jahr zum 20. male und wir haben immer wieder unsere Freude daran. Einen Baum brachte ich von Maxen mit, weil bei uns nur die Familien mit mehr als drei Kindern einen bekommen sollten.

Wir sind in Gedanken viel bei Euch und haben nur den Wunsch, daß wir wenigstens einmal dort gewesen sein möchten. Wir werden uns die aber noch eine Weile verkneifen müssen.

Vor kurzem hat Lotte mit Herrn Z. gesprochen, bei dem sie ab undzu einmal einkauft. Von ihm erfuhr sie, daß er wenige Tage vorher von Aachen zurückgekommen ist. Er hat nun lebhaft bedauert, von Dir nicht gewußt zu haben, wir haben aber von seiner Reise ja auch nicht gewusst. Er meinte, daß er Dich dann gern einmal besucht hätte. Arthur schreibt mir heute auch und fragt nach Dir. Seine Zeilen machen einen zufriedenen Eindruck. Er schreibt, daß sie im Sommer tüchtig Pilze eingetragen haben, die ihnen nun im Winter zugute kommen. Es ist ihnen ja auch zu wünschen.

Hille war jetzt 5 Wochen in der Lausitz zur Erholung, sie ist reichlich 4 Pfund schwerer heimgekommen. Die innere Mission hat dort ein bäuerliches Landheim, wo sie den Kindern behilflich ist. Der ganze Spaß kam mich 60,- DM, daß übrige wird von dort getragen. Am Weihnachten hat sie ein Paar Schlittschuh bekommen, die Volkmar erst noch schön abreiben mußte und aus der Schweiz auch einen Ball. Sie ist vor Freude zappelig gewesen.

Volkmar hat eine zünftige Gartenbank gebaut, die uns im Sommer von der Gartenarbeit ausruhen oder abhalten soll. Im Sommer kaufte er sich eine kleine Bandsäge, für die wir jetzt noch nach einem kleinen Motor suchen, um sie für seinen handwerklichen Hausbetrieb in Gebrauch zu nehmen. Jetzt macht er einige Tage unbezahlten Urlaub, arbeitet am Tage und aalt sich des abends. Am 1.Feiertag hat er in Zuschendorf an einer Verlobung teilgenommen und hat es herrlich gefunden, solchen Zauber einmal mit Essen und Trinken zu erleben. Von der Familie des Arbeitskollegen H. hat sich die einzige Tochter verlobt, so wachsen die Kinder nun ins Leben hinein. Bei H. handelt es sich um die Maurerfamilie, die seinerzeit von uns einen Schäferhund erhielt. Es ist das einsame letzte Grundstück von Zuschendorf im Seidewitztal.

Von den alten Bekannten und Freunden merken wir wenig. Es lebt ein jeder für sich und die Seinen. Bei H.s hat Lotte gebacken. Arno sehe ich nur selten, wenn er einmal durch die Stadt träumt. R.s wohnen in Dresden. Immer nach dem Ersten kommt jemand vorbei, wenn sie mal nach dem Grundstück gesehen haben. Werner B. ist in Meerane, wo er um seiner Frau Willen Bäcker lernte und nun auch seit einigen Monaten fertig ist. Leider ist ihm die Frau von zwei Kindern weggestorben. Wie man nun hört, hat er Meinung, diesen Beruf nun auch wieder aufzugeben, er wird auch nicht fertig. Walter N. hat seine Meisterprüfung gemacht und ist in einem kleinen Tischlereibetrieb in der Reitbahnstraße tätig.

Familiär hat sich nichts bedeutendes ereignet. Oma S. war den ersten Feiertag und den zweiten am Abend bei uns. Oma K. liegt im Bett und nennt sich eine Gerippe, was essen und trinken kann. Ihren trockenen preußischen Humor hat sie bei aller sie heimsuchenden Beschwerlichkeit. Wir haben das Fest diesmal erstmalig zeitlich und häuslich ausgeglichen gefunden. Es ist möglich, daß der Stollen etwas zur weihnachtlichen Stimmung beigetragen hat. Wir haben oft von Euch gesprochen und freuen uns nur, daß ihr wenigstens zusammensein konntet. Wird es möglich werden, daß wir uns im kommenden Jahre wieder einmal sprechen. Ich weiß ja nicht, wie sich Deine beruflichen Verhältnisse gestalten, besteht ein Bedürfnis, die Messe in Leipzig zu besuchen, so daß Dringlichkeit auch wirtschaftlich begründet ist? Der Interzonen-Autobus-Verkehr wird immer mehr ausgebaut. Man kann wohl von Dresden schon bis Köln fahren, man muß nur entsprechend anmelden. Es wird alles wieder. Angebot und Nachfrage werden sich dann ausgleichen, wenn nicht künstlich so darin herumgerührt wird.

Für heute mag es genug sein. Wir grüßen Euch nochmals mit den besten Wünschen für ein gutes Neues Jahr und gesundes Wiedersehen und dazu mit dem besten Dank für alles Gute!

Euer Alfred

 

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