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Brief (Transkript)

Herbert und Hannelore V. aus Buckow an Hermann S. nach Marbach am 31.12.1963

 

Buckow, am 31. 12. 1963
[Straße und Hausnummer]

Ihr Lieben überall!

Auch am Ende dieses Jahres kommt es nun praktischerweise wieder zu einem Brief für Euch alle, denn damit bleiben uns viele Briefe mit fast ein und demselben Text erspart. Und wie es mit unserer Zeit zum Briefeschreiben bestellt ist, das hat sich ja bei Euch inzwischen herumgesprochen. –

Wir haben also wieder ein Jahr in unserem Hause „Rehoboth“ hinter uns, das fünfte. Und noch immer sind wir gern hier, denn die Arbeit mit und an der Jugend bereitet uns ganz große Freude. Gottlob sind alle Rüstzeiten ohne Behinderung abgelaufen und wir alle, auch die Eltern Ranft, sind gesund und wohlauf geblieben, wenn auch oft die Wogen des Betriebes hoch gingen. Sehr dankbar sind wir, daß wir seit Anfang April eine Mitarbeiterin für unser Haus gefunden haben, die die Gestaltungsrüstzeiten mit Herbert S. leitet, so daß Herbert nur noch die Fiedelbauer betreut und nicht wie in den Jahren zuvor 4 Monate ohne Unterbrechung Rüstzeiten leiten mußte. Er kann sich nun in den Zwischenzeiten auch einmal anderen Rüstzeit-Gruppen und der Verwaltungsarbeit widmen. Für das kommende Jahr ist das Haus schon wieder voll belegt. Wir hatten vorgehabt, im November 1963 oder Januar/Februar 1964 eine Belegungspause dazu zu benutzen, das ganze Haus gründlich zu renovieren, alle Zimmer frisch zu tapezieren und den gesamten Hausflur zu streichen. Die Maler-Genossenschaft hatte aber keine Zeit. Da plötzlich, eine Woche vor Heiligabend, klappte es, und so hatten wir also bis zum 24. 12. die Maler im Hause. Könnt Ihr Euch vorstellen, wie wir uns alle Mann ranhalten mußten, um das Haus vor den Feiertagen wieder einigermaßen sauber zu bekommen? Am 27. 12. kamen nämlich schon wieder die nächsten Gäste! Doch nun sind wir froh, daß wir diese große Arbeit hinter uns haben und unser Haus jet z einen ganz freundlichen Eindruck macht. –
Von familiärer Seite ist natürlich auch dies und jenes zu berichten.
Das größte Ereignis dieses Jahres war selbstverständlich die Ankunft unseres 3. Buben, des Tobias. Wie haben wir uns alle gefreut, und die anderen 3 Männer waren rein aus dem Häuschen, daß sie wieder Verstärkung erhielten. Nun stehe ich also allein dieser vierfachen Männlichkeit gegenüber!
Tobias hat uns wirklich kaum Arbeit gemacht, jedenfalls keine außerplanmäßige. Er stand den ganzen Tag im Garten und vergnügte sich mit den Wolken am Himmel, den Blättern am Baum oder seinen eigenen Fingerlein. Inzwischen ist er ein strammer Bursch von fast 8 Monaten geworden. Er sitzt fest und lacht und strahlt, wenn man ihn nur anschaut. Die beiden „Großen“ mögen ihn sehr gern, nur sind sie manchmal ein wenig zu robust mit dem kleinen Mann. –

Unser (leider nur 10-tägiger) Urlaub führte uns im Oktober dieses Jahres in die Sächsische Schweiz, nach Gohrisch. Wir hatten nette Gastgeber, ein hübsches Zimmer und wunderschönes Herbstwetter. Friedemann war mit und hielt tapfer die oft langen Wanderungen durch. Die Bastei, die Festung Königstein und die umliegenden Berge machten wir unsicher und erholten uns recht gut. –

Weihnachten war natürlich dieses Jahr das Erlebnis für Friedemann und Christfried, denn sie sind nun eben doch schon verständiger geworden. Unermüdlich wollten sie schon in der Adventszeit die Weihnachtsgeschichte hören, und wenn sie dann allein waren, spielten sie immer abwechselnd „Maria und der Engel“ oder „Maria und Josef“ oder „die heiligen 3 Könige“ oder „Herodes“. Man kann sich nur wundern, wie gut sich die Kinder alles merken, auch Kleinigkeiten, und dann nachahmen. Und gesungen wird unaufhörlich, das Herz im Leibe kann einem lachen.
Am Heiligen Abend schliefen die Kinder in unserem Schlafzimmer (wir bescherten am 1. Feiertag früh), und wir bauten im Kinderzimmer das Doppelstockbett auf, das wir ihnen gekauft hatten. Die Augen hättet Ihr frühmorgens sehen sollen, als die beiden dies Bett erblickten! Mit einer richtigen Leiter zum Hinaufsteigen für Friedemann! Da flogen natürlich im Nu die Filzschuhe von den Füßen und man musste gleich erst mal probieren. Erst danach kam dann die „Ah“- und „Oh“- Begrüßung des Lichterbaumes im Wohnzimmer und der übrigen Geschenke.
Ihr alle, vor allem Ihr lieben Paten, die Ihr unseren Kindern viele liebe Überraschungen gemacht habt, laßt Euch nochmals von ganzem Herzen danken. Wir haben den Buben kein Stück vorher gezeigt, und so waren sie natürlich beseligt über all die Geschenke. Christfried fährt mit seiner Straßenwalze alles in Grund und Boden, Friedemann kann stundenlang mit dem Steckbaukasten spielen, und beide betrachten sich immer wieder ihre schönen neuen Bilderbücher. Friedemann hat eine „Bilderbibel für Kinder“ bekommen. Gestern schaute er sie lange und ernsthaft an. Dann kam ein tiefer Seufzer: „Jetzt fehlt mir bloß noch eins!“ „Was denn?“ „Eine Brille, damit ich auch den Text lesen kann!“ – Christfried steckt auch manchmal so Sachen heraus. Vor kurzem klopfte er mir sehr energisch an die Stirn, und auf meine Frage, was er denn da mache, meinte er: „Ich bin doch ein Specht!“ „Ach so“, sagte ich, „da willst Du wohl eine Höhle bauen in meinem Kopf?“ „Ach wo, Mutti, ich suche bloß Würmer!“
Vorgestern war er mit Filzschuhen ins Bett gestiegen, Ich erwischte ihn beim Heraussteigen und schimpfte mit ihm: „Du sollst doch nicht mit den Schuhen ins Bett gehen!“ Da zeigte er mir mit Unschuldsmiene die Schuhsohlen und sagte tröstend: „Sie sind aber wirklich nicht schmutzig geworden! –

Seht Ihr, sobald man von den Kindern erzählt, findet man kein Ende.
Von uns ist noch zu berichten, daß auch wir einen sehr reichen Gabentisch hatten, großartige Bücher, schöne neue Schallplatten (Thomanerchor, Tschaikowski), Kleidung und vieles mehr. Viel zu viel, wenn man bedenkt, wie es an anderen Ecken der Welt fehlt …! –

Nun kommt also das neue Jahr auf uns zu. Man weiß zwar noch nicht, was es bringen wird, aber wir sollten uns doch drauf freuen. So Gott will, möchten wir Ende Februar zu einem befreundeten Pfarrer in die CSSR fahren. Hoffentlich kommen wir dann dazu, Euch darüber zu berichten. –

Ja, Ihr Lieben, das war’s wiedermal. Seid nochmals alle herzlich bedankt für Eure lieben Karten und Briefe zum Christfest und Jahreswechsel!

Ein segensreiches neues Jahr, vor allem Frieden – im Herzen, im Haus und in der Welt, auch Gesundheit und das rechte Gespür dafür, wie gut es unser Herr mit uns meint
erbitten Euch allen Eure
Hannelore u. Herbert V.

 

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