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Brief (Transkript)

Jobst Dieter H. aus Tannroda an Hermann S. nach Marbach am 25.07.1973

 

Tannroda, den 25. 7. 1973

Liebe Familie S.!

Wir stehen tief in Ihrer Schuld! Ich lege den einen Brief bei, den ich vergaß, einzustecken. Nochmals herzlichen Dank für alles und nun besonderen Dank für das Radio, das ganz großartig ist. Wir haben uns sehr darüber gefreut. Das Radio hat einen guten Klang und mit der eingebauten Antenne kann man viele Sender gut empfangen. Sie haben uns also damit eine sehr große Freude gemacht. Wenn wir jetzt in den Urlaub fahren, wird es uns auch gute Dienste leisten. In der nächsten Woche fahren wir für drei Wochen nach Eisenach. Wir sind wieder auf dem Berghof, wo die Kinder für sich untergebracht sind. Es wird Zeit, daß man Urlaub macht, denn man ist doch ziemlich abgespannt. Vor allen Dingen ist es wichtig, daß man wieder Zeit füreinander findet. Denn bei uns ist es so, daß wir uns kaum sehen. An den Wochenenden habe ich immer sehr viel Dienst, weil einige Vakanzen sind. Von daher ist es gut, wenn man im Urlaub Zeit füreinander hat. Beinahe wäre in diesem Jahr aus unserem Urlaub nichts geworden, da alle Möglichkeiten, die wir erwogen hatten, wegfielen. Da wurde uns Anfang Juli noch der Platz in Eisenach angeboten. Wenn es klappt,wollen wir nächstes Jahr in die CSSR fahren. Dort werden Bungalows vermietet. Der Urlaub soll dort ziemlich billig sein. Wir hatten jetzt Gelegenheit, mit zwei jungen Tschechen zu sprechen. Sie berichteten uns auch von der Situation der Evang. Kirche. Ich muß sagen, daß wir hier noch dagegen ein paradiesisches Leben führen. In diesem Jahr sind dort mehrere kirchliche Heime vom Staat kassiert worden, ohne Entschädigung! Bei uns scheint zur Zeit wieder mal eine weiche Welle zu sein. In der Rüstzeitenfrage hat man eingelenkt. Man braucht die Rüstzeiten nicht, wie gefordert, bei der Polizei zu melden, sondern sie werden nach wir vor beim Rat des Kreises angemeldet, eine Genehmigung ist nicht erforderlich. Jetzt war in Eisenach ein Landesjugendsonntag. Aus ganz Thüringen waren ungefähr 5000 Jugendliche gekommen. Der Sonntag stand unter dem Thema „Geistesgegenwart“. Die staatlichen Stellen waren bei den Vorbereitungen sehr entgegenkommend. Auch in kleinem Rahmen bestätigt sich der Eindruck. Ich habe jetzt für ein Christenlehrefest ohne Schwierigkeiten die Genehmigung erhalten, mit den Kindern auf einem der politischen Gemeinde gehörenden Platz das Fest zu feiern. Man will unter allen Umständen den Eindruck vermeiden, daß die Kirche zurückgedrängt wird, was natürlich doch geschieht, wenn der einzelne Christ seine Rechte geltend machen will, die ihm als Bürger dieses Staates zustehen. So werden Kinder von Pfarrern und auch von Eltern, die kirchlich sich engagieren, unter großen Schwierigkeiten zur Oberschule zugelassen, oft aber überhaupt nicht. Hier geschieht eine regelrechte Diskriminierung, die sich vermutlich noch verstärken wird. Wichtig ist es gegen eine nun auftretende Resignation zu kämpfen. Das können wir aber nur von unserem Auftrag her. Die Kirchenleitung hat zu diesem ganzen Problemkreis eine sehr gute Stellungnahme veröffentlicht. – Wir sind nun gespannt, inwieweit sich der Grundvertrag positiv auf die Beziehung beider Staaten auswirkt. Es wäre schön, wenn es eines Tages möglich wäre, Sie besuchen zu können. Aber ich glaube, daß bis dahin noch einige Zeit vergehen wird. Wir finden es gut, daß nun endlich ein geregeltes Nebeneinander zustande kommt. Ehrlich gefreut haben wir uns, daß die Bayern beim Bundesverfassungsgericht nicht durchgekommen sind. Wenn man so dieletzten Jahre überschaut hat sich die politische Landschaft enorm verändert.-
Wie geht es Ihnen allen? Hoffentlich sind Sie alle wohlauf. Es wäre schön, wenn Sie Ihre Reisepläne mal wieder in die DDR führen würden. Dann wäre ja auch ein Besuch in Tannroda möglich. Denn mit der Aufenthaltsgenehmigung ist man ja nun nicht mehr an einen Ort gebunden.
Nun seien Sie alle recht herzlich gegrüßt von
Ihrer
Familie H.

 

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