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Brief (Transkript)

Jobst Dieter H. aus Eisenach an Hermann S. nach Marbach am 24.08.1964

 

Neuenhof, den 24. August 1964

Lieber Herr S., liebe Frau S.!

Als vor einigen Tagen Ihr Paket hier ankam, drückte mich nun doch erheblich mein schlechtes Gewissen. Deshalb möchte ich nun wieder von mir hören lassen. Recht herzlichen Dank für Ihren Brief vom 15. Juli. Weiterhin löste bei mir Ihr Paket große Freude aus. Herzlichen Dank für alles, besonders aber für die Bücher. Ich war wiederum sehr überrascht, daß alles wohlbehalten angekommen ist. Eins von den Büchern habe ich schon gelesen. Es ist der Roman, der die Gestalt des Liske beschreibt. Das Buch hat mich so gefesselt, daß ich es an einem Nachmittag durchgelesen habe. Für die Jugendpsychologie kann man aus diesem Buch viel lernen. Als Abendlektüre habe ich jetzt den historischen Roman „Die Flut“. Die Schilderung der Gestalten und des Landes gibt einen guten Einblick in die damalige Zeit. Besonders habe ich mich über die Predigtband gefreut, von dem ich fleißig Gebrauch machen werde. Also haben Sie nochmals herzlichen Dank für die Bücher.
Den „Geteilten Himmel“ habe ich Ihnen besorgt, aber bitte sind Sie mir nicht böse, wenn ich Ihnen jetzt schreibe, daß er seit Ende Juli bei mir liegt. Ich halte diesen Roman für einen guten Wurf. Es werden doch ziemlich genau und auch ehrlich die Verhältnisse vor und um den 13. August geschildert. Ich bin bis jetzt noch nicht dazu gekommen, Ihnen das Buch zu schicken, weil wir um Anfang August nach Neuenhof umgezogen sind. Aus diesem Grund bin ich auch noch nicht zum Schreiben gekommen. Jetzt habe ich so alles einigermaßen hinter mir. Damit sie sich ein Bild machen können, wo wir wohnen, schicke ich Ihnen eine Karte von Neuenhof mit. Meine neue Anschrift lautet jetzt:
Neuenhof/Werra
[Straße und Hausnummer]
Da wir nun umgezogen sind, haben wir auch nicht sehr viel vom Urlaub gehabt. Hoffentlich haben Sie sich gut erholt. Die Kapelle von Ronchamps habe ich schon auf dem Bild gesehen. Es ist ja ein recht eigenwilliger Bau. Meine Tante schickte mir davon ein Bild, als sie im vorigen Jahr dort war. Diese Tante war auch noch in Eisenach zu Besuch. Sie kam aus Flensburg. Wir haben uns sehr gefreut über den Besuch. Wie unendlich gut tut es doch, sich mal mit Menschen vom anderen Teil Deutschlands treffen zu können. Nun wohnen wir hier in Neuenhof doppelt abgeschnitten, da Neuenhof zum Sperrgebiet gehört. Wir können von hier aus den nächsten Ort im Hessischen gut sehen und doch liegt dazwischen eine beinahe unüberwindliche Kluft. Heute hörte ich gerade, wie sich ein Mitglied der West-CDU gegen eine Zentralstelle für technische Kontakte mit der DDR aussprach. Das geschieht einfach aus der Angst heraus, daß dann unter Umständen die DDR „aufgewertet“ werden könnte. Es ist schlimm, wenn das Prestige des Staates über die Hilfe für die Menschen geht und dieser Fehler wird auf beiden Seiten gemacht. Was nützt dann alles Gerede von der Hilfe für den anderen, wenn man von Jahr zu Jahr merkt, daß doch alles nur Theater ist. Was nützen Worte, wenn Ihnen keine Taten folgen. Das Buch „Geteilter Himmel“ habe ich für sie gekauft und in den nächsten Tagen werde ich es abschicken. Wenn Sie einen besonderen Wunsch haben, schreiben Sie es mir ruhig. Bei mir hat das Examen nun schon begonnen. In der vorigen Woche erhielt ich meinen Text für die Predigt, 2. Thess. 3. 6-13. Am Montag werde ich sie abschicken. Ich hoffe, daß sie mir einigermaßen gelungen ist. –
Mein Pfarrhaus ist innen so weit renoviert. Die Handwerker hatten hier sehr viel zu tun. Ich habe richtig Angst, wenn eine Rechnung. Das Kreiskirchenamt hatte mir im diesjährigen Haushaltsplan für Renovierung des Pfarrhauses 50.- DM! genehmigt, obwohl ich auf die Schäden aufmerksam gemacht hatte. Nachdem nochmals interveniert wurde, habe ich dann 2000.- DM zur Verfügung gestellt bekommen. Manchmal muß man das Gefühl haben, daß die Vorsitzenden der Kreiskirchenämter in einem Wolkenkuckucksheim leben. Mit dem Geld sind sie immer sehr zurückhaltend. So liegen die finanziellen Verhältnisse bei uns. Der Schwammschaden am Pfarrhaus ist noch nicht beseitigt, weil ich keine Handwerker bekomme. Seit Herbst vorigen Jahres bemühe ich mich um Handwerker. Bis jetzt ist es mir nicht gelungen, welche nach Neuenhof zu bekommen. Die Patengemeinde wird mir dabei kaum helfen können. Die geldlichen Mittel für den Bau habe ich zur Verfügung, sodaß von daher keine Schwierigkeiten bestehen.
Unser Bischof hat ja nun wieder sehr von sich reden gemacht. Ich werde Ihnen die entscheidenden Auszüge mitschicken. Was halten Sie von ihm? Ich persönlich stehe seinem Vorgehen sehr skeptisch gegenüber. Ich finde, daß er die Grenzen seiner Befugnisse nicht mehr erkennt. Das sind Probleme, vor denen man steht. Das Schlimme ist, daß die Gemeinden durch den Bischof verwirrt werden. Er selber aber ist jeglichen anderen Meinungen verschlossen. Von seiner Kanzelabkündigung werden Sie ja auch gehört haben. Er hat Sie ja allen Landesbischöfen Deutschlands zugeschickt. – Von der Prager Friedenskonferenz wurde uns berichtet. Erschüttert war ich ja doch, als ich hörte, daß sämtliche Delegierte außer den Deutschen, für eine bleibende Spaltung Deutschlands plädierten. Nur so sei der Frieden in Europa gewährleistet. Ich würde Ihnen das nicht schreiben, wenn es nicht durch Augen- und Ohrenzeugen berichtet worden wäre. –
Nun seien Sie nochmals bedankt für das schöne Paket. Meine Frau lässt herzlich für die Strümpfe danken. Seien Sie beide herzlich gegrüßt
Von Ihrem Jobst Dieter H.

 

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