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Brief (Transkript)

Hermann S. aus Marbach an Jobst Dieter H. nach Eisenach am 04.03.1964

 

Marbach, den 4. März 1964


Lieber Herr H., liebe Frau H.!


Mit großer Freude und Erleichterung habe ich die Nachricht von der guten Ankunft des Päckchens gelesen. Es wäre doch recht ärgerlich, wenn es irgendwie hängengelieben wäre. Allerdings habe ich in letzter Zeit nr selten gehört, daß ein Päckchen nicht angekommen wäre. Und von meiner Siedlung aus gehen ja eine ganze Menge Sendungen von den ehemaligen DDR – Bürgern an die zurückgebliebenen Bekannten und Verwandten hinüber.
Die passende Fußgröße ist ganz und agr auf die Intuition meiner Frau zurückzuführen. Es liegen sonst keinerlei spiritistischen Geheimverbindungen vor. Aber auch diese Intuition ist nicht sehr mysteriös. Meine Frau ging von einer gewissen Normalgröße aus. Ich weiß nun nicht, ob es ein Kompliment für eine Frau ist, wenn sie erfährt, daß ihre Fußgröße Konfektionsmaßen entspricht. In diesem Fall war es jedenfalls kein Nachteil.
Bei dieser Gelegenheit wollte ich noch um Ihre beiden Schuh- und Kragengrößen bitten. Das dient nicht zum Eintrag in ein Verbrecher.-album. Aber es kommt doch immer wieder vor, daß Gemeindeglieder irgend etwas bringen und abgeben, was für den Versand in die DDR bestimmt ist. Es ist dann sehr beruhigend, wenn man weiß, wem was paßt und dem Empfänger die Verlegenheit erspart, sich höflich für Dinge zu bedanken, die er auch bei größerer Anstrengung nicht tragen kann.
Nachdem der Stoff nun gut hinübergekommen ist, habe ich gestern auch die Zutaten und noch ein paar Kleinigkeiten abgeschickt. – sie brauchen sich wirklich keine Gedanken über unsere Ausgaben machen. Die größte Anstrengung besteht im Packen. Glücklicherweise gibt es Tesafilm, da kann alle Schlampigkeiten wenigstens überkleben. – Die Abneigung vor dem Packen scheint verbreitet zu sein. Sicher unterbleibt darum manches Päckchen. Leider ist es ja nicht gestattet, den Versand durch Organisationen durchführen zu lassen. Aber dieses Verbot hat den einen Vorteil. Es zwingt wenigstens zu einem persönlichen Engagement, und wenn es nur im Packen besteht. Sonst würde das ja nur noch per Geld und recht unpersönlich gemacht.
die Seminarzeit scheint Ihnen doch einigen Auftrieb zu geben. Ihre beiden letzten Briefe vom 19. und 26.2. unterscheiden sich kräftig von allen vorangehenden hinsichtlich Ihrer Zuversicht.
Sie bestätigen meinen Eindruck, daß die Resignation der gefährlichste Feind der Gemeinden ist, weil sie alles geistliche Leben steril macht. diese Resignation entsoricht ja so etwa der Indifferenz, die bei uns weithin das Bild der Gemeinde kennzeichnet. Resignation ist vor allem keine wirksame Bar riere, sondern sie wird eines Tags z usammenbrechen und dann dem feindlichen Einfluß völlig ausgeliefert sein. Diese Sorge bewegt auch die Pfarrer in Treunbrietzen. Darum entfalten sie diese Aktivität, die wohl oft die Grenze des gesundheitlich Möglichen überschreitet. – Wenn ich auch manchmal meinem, daß mein Pensum reichlich sie, so bin ich denen gegenüber nur eine lahme Ente.
Sehr wichtig war für mich Ihre Bemerkung zum neuen Jugendgesetz, daß eine Einwirkung durch Gespräche versucht wird. Sicher wird der Erfolg nicht überwältigend sein. Aber es wird doch mehr dabei herauskommen, als wenn man nur trotzig schweigt. – So war ich sehr überrascht zu hören, daß die DDR – CDU da und dort ganz konkrete Erfolge durch ihre Einsprüche erzielt hat. Man darf also wohl nicht von einer totalen Ohnmacht einerseits und einer totalen Allmacht andererseits reden. Solche Erkenntnisse machen freier, zu selbständigem, aktiven Denken. – Eine Bitte in diesem Zusammenhang: Könnten Sie mir einen Entwurf dieses Jugendgesetzes schicken oder auch sonstiges Informationsmaterial über augenblicklich wichtige Dinge , die dieÖffentlichkeit berühren. Ab und zu könnte es auch irgend ein besonders interessantes kirchliches Blatt sein. Leider kommt man sehr wenig zum Lesen aber schon das Überfliegen hält ja wenigstens im Kontakt mit eueren Problemen. Soviel ich weiß, werden Druckerzeugnisse im großen Ganzen befördert, allerdings nicht regelmäßig.
Zum Teil dürfen ja auch theologische Bücher zu Ihnen geschickt werden. Schreiben Sie ruhig, in welcher Richtung bei Ihnen Wünsche und Bedarf vorhanden sind. Man kann es ja einmal probieren.

Noch zu Ihren Fragen: Das Christophorushaus ist ein kleines Gemeindeznetrum für die Siedlung Hörnle, das am 17.11.63 eingeweiht wurde. Eine sehr hübsche Wohnung gehört dazu. Das Ganze ist sozusagen mein Arbeitsplatz, da ich für diese Siedlung zuständig bin. In einem großen Saal können sowohl Gottesdienste wie auch Vorträge und sonstige Gemeindeveranstaltungen durchgeführt werden. In zwei kleineren Räumen finden Konfirmandenunterricht, Bibelstunden, Elternabende und kleine Besprechungen statt. Dort soll auch in absehbarer Zeit für unsere Jug ndlichen die Möglichkeit zum Werken geschaffen werden. Auf diese Weise wollen wir mit ihnen in seelsorgerliche Kobtakt treten [Rest des Briefes fehlt]

 

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