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Brief (Transkript)

Jobst Dieter H. aus Eisenach an Hermann S. nach Marbach am 03.01.1964

 

Eisenach, den 3. I. 1964

Lieber Herr S. und Frau!
Nun hat ein neues Jahr schon begonnen und jetzt erst schreibe ich Ihnen wieder. Aus diesem Grunde habe ich ein schlechtes Gewissen. Haben Sie zunächst recht herzlichen Dank für Ihren Brief vom Oktober. Einen Brief, den 2. von Ihnen habe ich nicht bekommen. Ich hoffe, daß Sie meinen ersten Brief gut erhalten haben, da Sie ihn mir nicht bestätigt hatten. Nun auch noch herzlichen Dank für Ihre Karte zum Neuen Jahr. Schade, daß Sie nicht hier vorbeigekommen sind, als Sie in Jüterborg waren. Ich hätte mich gefreut, wenn Sie hier mal vorbeigekommen wären und wir uns persönlich kennengelernt hätten. Aber vielleicht klappt es doch später. Nun möchte ich Ihnen und Ihrer Frau ein recht gesegnetes neues Jahr wünschen. Möge ihnen Gott, der Herr, Kraft in ihrem Beruf schenken, der doch mit einer der verantwortungsvollsten ist. Es wäre schön, wenn wir uns in diesem neuen Jahr einmal kennenlernen würden. Wie wäre es, wenn Sie Ostern mal zu uns nach Eisenach kämen. Vielleicht können Sie es mit dem Dienst so einrichten, daß Sie kommen können. Ich werde zu diesem Termin hier in Eisenach auf dem Predigerseminar sein und so Ostern dienstfrei haben. Bitte schreiben Sie mir doch mal, was Sie darüber denken. In den hinter mir liegenden Feiertagen hatte ich Dienst und ich war voll ausgelastet. Ich glaube, daß es Ihnen ähnlich gegangen sein wird. Aber ich finde, daß einem bei jedem neuen Weihnachtsfest eine neue Seite des Geschehens aufgeht, das sich vor 2000 Jahren zugetragen hat. Ich glaube, daß Ihnen das auch ähnlich gehen wird. Die Lieder dieser Zeit sind auch so wunderbar und frohmachend. Man kann sich mit ihnen richtige Weihnachtsfreude ins Herz singen. Nun liegt dieses Fest schon wieder hinter einem und der Alltag hält einen schon wieder gefangen. Heute war ich bei meinem zuständigen Kreiskirchenamt, um um Geld zu bitten. Ich brauche 20.000 DM für mein Pfarrkirchenhaus, das vom Schwamm befallen worden ist. Aber ich bekam einen abschlägigen Bescheid. Der Vorsitzende des Kreiskirchenamts war nicht gerade sehr angenehm überrascht. Nun muß die oberste Behörde, der Landeskirchenrat helfen. Wenn nichts gemacht wird, kann der Schwamm weiterfressen und das Pfarrhaus muss abgerissen werden. Das ist meine Hauptsorge zur Zeit.
Am 15. dieses Monats werde ich aufs Predigerseminar für ein halbes Jahr abgeordnet. Das Predigerseminar befindet sich hier in Eisenach. Ich habe die besondere Erlaubnis, daß ich zu Hause wohnen bleiben darf. Darüber bin ich recht froh, denn so kann ich meiner Frau doch manchmal zur Hand gehen. In diesem halben Jahr wird man noch mal in einen Art Universitätsbetrieb hineingenommen. Nach diesem halben Jahr wird dann hier in Eisenach die Ordination durch den Bischof sein. Die Ordination schließt sich sofort an das Predigerseminar an. Im Januar nächsten Jahres startet dann das zweite Examen. Aber bis dahin vergeht noch einige Zeit.
In ihrem letzten Brief, lieber Herr S., fragen Sie mich nun, was i ch mir wünsche. Ich habe nun lange hin und her überlegt und mich befragt. Nun möchte ich Sie bitten, mir doch einen Stoff für einen schwarzen Anzug zu schicken. Ich brauchte da ungefähr dreieinhalb Meter. Hoffentlich halten Sie mich jetzt nicht für unverschämt. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir den Wunsch erfüllen würden. hoffentlich sind Sie mir jetzt nicht böse und brechen die Verbindung mit mir ab. – Ich würde mich freuen, wenn Sie von ihren Eindrücken hier in Jüterborg mal näher berichten würden. Waren sie speziell ein Gast der Gossner-Pfarrer oder wurden Sie von anderer Stelle eingeladen? Schön wäre es, wenn man von unserer Seite aus mal Eindrücke in der Bundesrepublik sammeln könnte. Aber das ist ja leider zur Zeit gänzlich unmöglich, weil es die politischen Umstände nicht erlauben. Jetzt hat man wieder einen leisen Hoffnungsschimmer bekommen durch das Abkommen in Berlin in Bezug auf die Passierscheine. Es hat mich sehr bewegt, die Berichte aus Berlin zu hören. Man kann doch sehen, daß man menschliche Bindungen nicht so ohne Weiteres zerreißen kann, obwohl ja die Gefahr der Entfremdung da ist. Deshalb gibt es uns hier immer wieder Auftrieb, wenn wir von der Bundesrepublik Besuch bekommen, aus dem Teil, von dem wir leider getrennt sind. Leider wird dieses Loch viel zu wenig genützt. Ich habe mehrere Verwandte in der Bundesrepublik, aber niemand hat es bis jetzt für nötig gehalten zu kommen, obwohl wir schon oft eingeladen haben. Um so mehr würde ich mich freuen, wenn Sie es möglich machen würden, uns zu besuchen, um nochmal auf meine Einladung von Anfang zurückzukommen. – Nun seien Sie und ihre Gattin recht herzlich gegrüßt von meiner Frau und
Ihrem
Jobst Dieter H.

 

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