Wainsdorf, den 4.Jan.1991

Liebe Elisabeth, lieber Paul u. Peter!

Wie angekündigt finde ich jetzt Zeit zum Schreiben. Wie habt Ihr den Jahreswechsel verbracht? Wir waren zur Disco von Feuerwehr u. Kommune, war sehr feucht, aber der Musiklärm! Zwei geschriebene Briefe, Marken, Kart u. Briefmarkenspiegel habe ich dankend erhalten. Mal sehen ob ich alles schaffe was ansteht. Ein sehr wichtiges Anliegen wäre, daß unsere Verbindung die uns hier mit über sehr harte Zeiten hinweggeholfen hat, möchten wir auf keinen Fall abbrechen. Meine Post kannst Du ruhig an das Postamt in Prösen senden, denn ich bin dort alter Stammkunde. Lücken oder bessere Abstempelung werden nach u. nach bestimmt noch zum austauschen sein. Bei [?] Automatenmarken über 6,- Mark habe ich noch nichts’ nicht kaufen sonst wird es doch zu teuer. Sind die Antwortkarten im Brief angekommen? Hier geht es ja wegen dem unterschiedlichen Porto, was Du braucht behalte oder schreibe! Wie sieht es mit Markenheftchen von hier aus? Bei den gestempelten DDR Marken dürfen nicht allzuviel fehlen Im letzten Jahr hatte ich keine Übersicht mehr. Es soll auch viel Post in letzter Zeit verloren gegangen sein. Die letzte Dauerserie schicke ich kompl. mit. Von 9ten bis 12ten Mai plant unser Briefmarkenverein, nicht mehr Arbeitsgemeinschaft, einen Gegenbesuch nach M-Gladbach mit dem Bus und Abstecher nach Holland. Edeltrud hat schon alle neune, aber mitfahren möchten wir schon. Wahrscheinlich benutzen wir den Bus mit den wir beide mit in Österreich waren, denn es war wirklich nicht teuer. Ja in Österreich waren wir angenehm überrascht, eine zauberhafte Landschaft die Sauberkeit und Ordnung. Selbstverständlich auch schöne Preise in allen Bereichen, der Österreicher bevorzugt auch leichtere Arbeit. Inzwischen sind wir gleichberechtigte Bundesbürger geworden, nur mit unterschiedlichen Niveau. Preisunterschiede bis 200% zu Euren Preisen sind nicht selten. Wir möchten ein Mastrind verkaufen, aber nur zum billigsten Preis. Kohle und Gaspreise wurden fast verdoppelt. Mit Geldverdienen ist noch nicht viel los. z.B. Fernseher sind jetzt viel billiger als im Sozialismus. Du hast vollkommen Recht, Massenmedien übertreiben viele Sachen in ihrer Berichterstattung eine zusätzliche Nervenbelastung des Fußvolkes. Da ich nebenbei (ohne Bezahlung) in der Kommune engagiert bin erfahre ich viele aus erster Hand, es kostet viel Zeit und ein großer Papierkrieg, man wird nicht dümmer davon aber hierbei fehlt zusätzliche Ausbildung. In unserem Alter lohnt es sich nicht mehr die Schulbank noch mal zu drücken. Die verbesserte Freiheit sowie stärkeres Selbstbewusstsein merkt man schon. Totale Gerechtigkeit wird es auf dieser Welt niemals geben. Wir befinden uns zur Zeit in einer Fresswelle, ich finde keinen anderen Ausdruck. Die lautstarken Kommunisten waren die ersten Genossen die sich einen Westwagen zugelegt haben. Zum Video-Band, ist wohl gut gemeint, aber noch besitzen wir kein Gerät in dieser Aufführung. Mit unserem Kasten ist zwar nicht mehr viel los, nur streikt das Ding ist die Edeltrud mächtig sauer. Mitlerweile ist die Edeltrud Rentnerin, war der einzige Weg 500,- Mark soll aber erhöht werden, bei Honecker wäre viel weniger gewesen. Ist das Päckchen mit Schlachteprobe angekommen? Am zweiten Weihnachtsfeiertag war die ganze Mannschaft hier, die beiden Enkel haben sich voll ausgetobt. Diana mit Ehemann eröffneten im Sommer ein kleines Geschäft, als Anfang die Autogarage nun ein kleines Mietgeschäft. Die Corina ist bis jetzt die einzige die voll durchgezogen hat. Ihr Privatvorhaben scheiterte an eine Meisterausbildung, aber es sind Lichtblicke in ihrer Genossenschaft in Sicht. Überall geht nichts ohne Kampf, und Übung im Kampf mußten wir alle erlernen. Der Sportler hat es nicht leicht bis Juni auf Null gesetzt, Facharbeiter Bau, mit sehr wenig Praktik. Ein sehr schwieriges Problem ist die Landwirtschaft, aus einer Intensiv zu einer Extensiv-Wirtschaft umzusteigen dazu die Privatisierung. z.B. Ich mußte meinen Wald, nicht viel, 0,25 ha zurücknehmen der schon 30 Jahre nicht mehr auf meiner Fläche vorhanden ist. Mein Arbeitsplatz wurde schon 2x aufgelöst, viele Beschäftigten 2/3 mußten gehen. Bin nun der Älteste ja sogar der Dienstälteste dabei geworden, aber so etwas zählt auch nichts. Bin in allen Abteilungen in unserem Betrieb eingesetzt worden, immer andere Leutchen nun bin ich am alten Platz wieder zurück und wieder 10 neue Leutchen keine angenehme Sache, aber es gab schon schwierigere Zeiten zu überstehen. Eure Zuarbeit für’s Geschäft können wir uns bildlich vorstellen, aber was hilfts was sein muß muß sein, mal mit helfen wäre nicht schlecht, aber die Entfernung! Wir haben im letzten Jahr auf dem Grundstück viel geschafft, ab Jan. ist es mit Schwarzarbeit schwieriger, jetzt wird uns tolles Material angeboten, die Mittel reichen nicht weit, und Schulden möchten wir noch nicht wagen. Hast Du die Dauerserie postfrisch 1x erhalten od. ist sie verloren gegangen?
Wir fahren noch unser alten PKW’s die jungen Leutchen werden immer verrückter ist auch verständlich.
Corina lässt anfragen: 1.Was kostet bei Euch 1.1 Fiesta C 37 KW (neu)
Jahreswagen 1.1[Wiederholungszeichen] bis 20 Tds/Km
da wir bei den Autopreisen sind was verlangt der Händler bei Euch für einen neuen Ford 3türig, rot, 1,4 Liter…
Am Freitag habe ich mir das erste Mal hier das Treiben auf dem Automarkt mal angesehen z.B. ein Angebot
1 Jahreswagen Ford rot 4 türig 15 Tsd/Km 20800,-
ist so etwas teuer od. normal bei Euch.
Was macht der Peter? Ja Polizeibeamte fehlen hier an allen Ecken, die Verbrechen u. Überschreitungen überschreiten das Maß.
Grüßt mal die Toni u. den Eduard von uns herzlich aus dem Bundesland Brandenburg. Mit unserer Grenzgeschichte müsste in Ordnung gehen. Ich glaube wer ein Grundstück hat findet immer Arbeit, war Euer Umbau überhaupt schon notwendig? Noch etwas, vielen Dank für die Glückwünsche die uns am 5.1. erreichten und der Kalender ist Klasse, Glück, wir hatten noch keinen. Die Uniform packe ich für Peter ein. Es ist die Uniform der „Zivilverteitigung“ Persönlich habe ich so ein Ding nie angezogen, dieser Zweig war besser organisiert als die ganze Wirtschaft. Die fliegenden Händler sind eine richtige Landplage, Die Versicherungsvertreter geben sich die Türe in die Hand, keiner weiß was er überhaupt richtig macht. Wie hoch und was für eine Versicherung ist überhaupt zweckmäßig? Ich muß zum Schluß kommen sonst muß ich noch eine Seite anfangen. Bleibt gesund, an alle viele Grüße
Edeltrud, Hans-Eberhard u. Familie.

P.S. Soeben Karten eingetroffen.