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Brief (Transkript)

Uta W. aus Hanau an Winfried S. nach Ost-Berlin am 09.04.1967

 

Hanau,
9.April 67

Lieber Winfried,
vielen herzlichen Dank für den netten Brief. Es war ja rührend von Dir, daß Du auf mich gewartet hast, jedoch nahm ich nicht an, daß Du es so ernst meintest, da Du mir nicht mehr geschrieben hattest. Ich wäre aber trotzdem vorbeigekommen, jedoch war ich gar nicht in Berlin. Ein unvorhergesehener Zwischenfall kam und zerschlug den Plan. Ende des Semesters, gerade der Reisetermin bekam ich genau die Zahngeschichte, von der Du mir in einem Deiner Briefe berichtet hattest. Du weißt ja selber, was man da auszustehen hatte. Berlin fiel mit großem Plumps ins Wasser. Ich bin noch immer in Behandlung, hoffe, jedoch, daß alles bald überstanden ist.
Während ihr wohl wieder eine Menge knufft, gibt’s hier noch bis 15. Ferien. Ich mag gar nicht daran denken! –
Selbstverständlich fand jedoch die Reise in die ČSR und nach Österreich statt und war sehr interessant. Wenn die Bilder entwickelt sind, (bin erst vor knapp einer Woche zurückgekehrt) werde ich Dir ein paar schicken. Meine Eltern und ich fuhren mit dem Wagen zunächst bis Prag. Eine sehr interessante Stadt, in der es Unmengen Dinge zu sehen gibt und in der man „ausgezeichnet“ essen kann. Für uns war das Leben dort auch spottbillig. Dann ging’s gegen Norden, in die Stadt, in der ich geboren wurde. Wir sahen uns unsere ehemaligen Häuser an und durften sogar in einem übernachten! Schnee gab’s Unmengen – die Ski waren nicht mit. Weiter ging’s - über Königgrätz nach Ostrava – der Heimat meiner Mutter und über Bratislava nach Wien. Die Fahrt war schon ganz nett. Man hat Unmengen gesehen. Weist – ich will wirklich nicht angeben – aber wenn man aus einem Ostblockland herausfährt und wieder überall die Coca-Cola-Reklame sieht, fühlt man sich wieder geborgen. Es war gut und schön und interessant in der ČSR. Jedoch ich war sehr wütend auf diese Tschechen! Könnten die nichts von uns erben (Devisen – sie sind sch…freundlich zu den Westdeutschen – die Ostdeutschen, die so ist mein Eindruck, ärmer dran sind als sie, sind ihnen gleichgültig und werden auch dementsprechend behandelt) würden sie uns gar nicht erst reinlassen. Nur erben nur erben, schon 1945 und schau Dir die Gebiete an so eine Verwahrlosung stinkt zum Himmel – die wissen gar nicht was sie mit den ehemaligen deutschbewohnten Gebieten anfangen sollen. Winfried. Du darfst nicht denken, ich sei irgendwie böse auf die Tschechen oder Verfechter irgendeiner hirnverbrannten Politik, die die deutschen Gebiete unbedingt wiederhaben will. Doch diese Falschheit bringt einen auf die Palme. Meine Mutter mußte mich bisweilen unauffällig unter dem Tisch treten, um mich zu zügeln! ----- Bei denen gibt es zwei Kategorien Deutsche. Offiziell – sozusagen hochpolitisch – seid Ihr – der Osten Freunde [?] Auf uns wird geschimpft, während sie uns mit allen Tricks und Heuchelei die Mark aus den Taschen ziehen. Ich war immer skeptisch. Leider verstehe ich kein Wort dieser Sprache, jedoch na ja. ----- Wir sind nur, lediglich, Devisenfreunde – eine Art Freudenmädchen für diese Nation. Nämlich der Mann auf der Straße – dessen Meinung ist Ost- oder Westdeutscher? Natürlich West – Ost – unmöglich. Ich hoffe Du verstehst wie ich das meine. Deshalb werde ich so schnell auch nicht wieder dort aufkreuzen. In andern Ländern bekommst Du natürlich ebenfalls das Geld aus den Knopflöchern gezogen. Brauchst Dich jedoch nicht als Nation beschimpfen zu lassen.
Wien war wunderschön. Ich bin ausgiebig Einkaufsbummeln gegangen. In Berchtesgaden, wo das Wetter dann wieder wunderbar wurde blieben wir noch auf zwei Tage, dann gings „back to grandmother and her children“.
Meinst Du wirklich, daß das Gesprächsthema nachlässt? Was macht’s schon – Tatsache, vor einem Jahr war Hannes und ich in Erfurt. Unglaublich wie die Zeit eilt. An und für sich wollte Sigi und ich jetzt mal rüber kommen, jedoch Mutter fürchtet diese neue Regelung. So geht’s nach Paris über Pfingsten. Ich komme aber so bald als möglich wieder mal – mir gefiel es sehr gut in Eurer Gesellschaft. Hannes hat am 3.-12. Mai schriftliches Abi. Du kannst ruhig auch ein wenig die Daumen drücken! -----
Ich muß nun das Abendbrot vorbereiten. Sei also nicht bös, daß schon Schluß ist. Viel Erfolg im Semester! Und Grüße an Diethard. Ich schreibe ihm sobalds geht.

Uta

 

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