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Brief (Transkript)

Familie F. aus Salzkotten an Familie H. nach Leipzig am 06.12.1987

 

6.12.87

Lieber Herr H., liebe Frau H.!

Nach langer Zeit möchten wir Ihnen doch wieder mal ein Lebenszeichen geben. Zunächst bedanken wir uns herzlich für Ihren Brief vom 18.10. und auch noch für Ihre Urlaubsgrüße aus Rheinsberg. Daß wir so lange nichts von uns hören ließen hat einen Grund. Mein Mann bekam Mitte Juni einen Schlaganfall, an dessen Folgen er 16 Wochen in Krankenhäusern behandelt wurde. Er ist linksseitig gelähmt. Nachdem sein Zustand in den ersten Wochen sehr ernst war (ich war manchmal recht hoffnungslos), er war nicht in der Lage, sich im Bett zu drehen oder sich aufzurichten, ganz zu schweigen vom Stehenkönnen oder Gehen, hat er in einer Spezialklinik in Höxter (72 Km von uns entfernt) in 9 Wochen soweit zumindest das Gehen gelernt, daß er sich heute mit Hilfe eines Stockes mit Unterarmstütze im Hause frei bewegen kann. Wir sind ganz hoffnungsvoll, daß das Gehen immer besser wird. Was uns noch Kummer bereitet, ist die linke Hand. Sie ist nicht so typisch schlaff, wie man das sonst bei Schlaganfällen kennt, sondern sie hat eine starke spastische Lähmung, das heißt, daß sie sich immer wieder verkrampft und mein Mann sie nicht steuern kann, sie ihm also praktisch nicht gehorcht. Man hat uns auch da Hoffnung gemacht, daß die Spastik im Laufe der Zeit vergehen würde. Wenn mein Mann wenigstens seine rechte Hand benützen könnte, aber sie ist ja durch die Kriegsverletzung auch kaum zu gebrauchen. So fehlen ihm also beide Hände für die Bedürfnisse wie essen, waschen, anziehen u.s.w. Ich muß meinem Mann aber bescheinigen, daß er sehr geduldig und klaglos seine Krankheit trägt. In den 16 Wochen seines Krankenhaus- und Klinikaufenthalts war ich von morgens bis abends ihm, es war in gewissen Sinn auch eine kostbare Zeit für uns. Wenn man gesund ist, lebt man nicht so nah und intensiv miteinander, jeder geht mehr seinen Interessen und Neigungen nach.
So ist mein Mann also nicht in der Lage, Ihnen selbst zu antworten, er tat dies immer sehr gern, er hat sich viele Gedanken gemacht und versucht, seine Meinung zu den verschiedenen Themen und Ereignissen weiterzugeben.
Wir wünschen Ihnen beide, daß Sie in Ihrer jugendlichen Frische viel sehen und erleben dürfen, sei es auf Reisen oder bei Besuchen von Museen und Ausstellungen. Auch wünschen wir Ihnen weiterhin viel Freude an und mit Ihren Kindern, vor allem auch jetzt in der Weihnachtszeit. In der kommenden Woche werden wir ein Weihnachtspaket für Sie auf die Reise schicken.
Bleiben Sie nur recht gesund und seien Sie herzlichst gegrüßt von Ihren

Brunhilde und Hermann F.


Den Briefumschlag hat mein Mann noch vor seiner Krankheit geschrieben.

 

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