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Brief (Transkript)

Familie F. aus Salzkotten an Familie H. nach Leipzig am 23.05.1984

 

Salzkotten, am 23.5.1984

Liebe Familie H.!

Sie werden unsere Ansichtskarte vom 18.5. inzwischen erhalten haben. Auf dieser Karte deutete sich an, daß wir vom 24. – 27.5. in Dresden sein werden. Dies ist leider nicht mehr der Fall. Die von den Behörden der DDR ausgestellten Zählkarten sind für den Paderborner Bus leider in einer Geschäftstelle verloren gegangen. Neue konnten wegen der Kürze der Zeit nicht mehr beschafft werden. Also bleiben wir hier, während die Busse aus Bielefeld und Herford einreisen dürfen. Ich hatte mich schon auf die Dampferfahrt von Bad Schandau nach Dresden und meine Frau auf die Besichtigung der Meißner Porzellanmanufaktur gefreut. Für Sie hatte ich ein Exemplar der F.A.Z. mit Feuilleton, Wirtschaftsteil und Reiseblatt sowie Kulturmagazin in einem großen Geschäftskuvert fertig gemacht, das ich bei einem Dresdner Postamt per Einschreiben abgesandt hätte. Auch dies muß nun unterbleiben. Ich wage auch nicht Einzelartikel mehr an Sie von hier aus abzusenden, da ein Brief v. 22.11.1983 Mit 2 Artikel über Udo Lindenberg, die Verleihung der Ehrendoktorwürde an den Krupp-Bevollmächtigten Berthold Beitz durch Universität Greifswald u.ä. Sie offensichtlich nicht erreicht haben. Sollten Sie anderer Ansicht sein, würde ich von Zeit zu Zeit einige Artikel absenden. Ich freue mich für Sie, Herr H., daß Sie, wie Sie am 11.[?]83 schrieben, nun eine passende Arbeit erhalten haben. Vielleicht ist in Ihrem Betrieb auch das Arbeitsklima gut. Für Freischaffende ist zur Zeit das Klima bei Ihnen zu schlecht. Ich bedauere dies gerade in Hinsicht auf Ihre Person sehr. Ich bin ja aus dem Arbeitsprozeß heraus und merke erst heute, was ich in manchen Dingen versäumt habe. Mein Nachfolger wird mit den beruflichen Dingen schwerer fertig. Ihm fehlt Berufserfahrung und vor allem Menschenkenntnis. Bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand wird er noch viel hinzu lernen. Die viel beschriene Arbeitslosigkeit wirkt sich hier auf dem Land bei älteren Menschen kaum aus. Bei den Jugendlichen sieht es schon schlechter aus. Zu viele Abiturienten, die nicht studieren wollen, drängen immer mehr in Berufe, die früher von Real- und Hauptschülern belegt wurden. Schwerpunkt der Arbeitslosigkeit ist die Schwerindustrie sowie der Schiffbausektor. Die 35 Stundenwoche wird kaum eine Entlastung bringen. Ich kenne kaum einen Arbeiter, der dafür ist. Die meisten fürchten um ihren Arbeitsplatz. Die neuen Techniken, die auf den Arbeitsmarkt kommen, sind eher arbeitsplatzvernichtend als arbeitserleichternd. Viele Frauen wünschen eine Verkürzung der Arbeitszeit schon deswegen nicht, weil ihre Männer über zuviel unausgenützte Freizeit verfügen, die oft sehr viel Geld kosten kann, wenn Alkoholkonsum hinzu kommt. Durch Probleme werden oft neue geschafft.
Unser Garten nimmt trotz verspäteten Frühjahrs meine Frau besonders in Anspruch. Wir müßten jetzt auch beide Schornsteinköpfe erneuern lassen, da der eine auseinander brach. So werden wir die Handwerker nicht los. Zwischenzeitlich machen wir kürzere Fahrten. So rechten Schwung wie im Vorjahr haben wir allerdings nicht. In der Hoffnung, daß es Ihnen allen recht gut geht grüßen sehr herzlich

Ihre Brunhilde und Hermann F.

 

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